Ökumenismus


Hl. Kloster Paraklitos,
Oropos, Attika, Griechenland:

 

Ökumenismus *

Einleitung

 Die Orthodoxe Kirche ist von Natur aus katholisch und offenkundig ökumenisch (universell)[1]. Sie heißt mit offenen Armen alle Völker willkommen, alle Rassen und alle Zeiten und lädt sie alle ein zu kommen. Christus, ihr Haupt, wendet sich zu jeder Zeit an die Welt: „Kommt zu Mir, ihr alle", während Er Seine Apostel aussendet, damit sie das Evangelium der Rettung „allen Völkern" verkünden.

 Dieser Bestandteil und diese inhärente Eigenschaft der Kirche - Ökumenizität oder Universalität - wird heutzutage von zwei Bewegungen angefochten, die den Geist dieses Zeitalters zum Ausdruck bringen: Ökumenismus und Globalismus.

 Globalismus wird von mächtigen soziopolitischen Kräften vorangetrieben und zielt hin auf eine einzige vereinte Menschheit, während der Ökumenismus im religiösen Bereich aktiv ist, indem er versucht, die Vision eines vereinten Christentums zu realisieren und letztendlich auf eine einzige Universalreligion, eine „Pan-Religion" abzielt.

 In dieser Schrift werden wir versuchen, einen Umriß der ökumenischen Bewegung zu zeichnen, an der die Orthodoxe Kirche teilnimmt, denn für den größten Teil der Kirche bleibt die Natur und das Werk dieser Bewegung unbekannt, und gewisse Entwicklungen in den ökumenischen Kreisen haben Ängste aufkommen lassen und Befürchtungen hervorgerufen.

 Es mag seltsam klingen, doch es ist eine Tatsache, daß der heutige Ökumenismus die ‘ökumenische Natur‘ unserer Kirche bedroht, da er immer mehr in kompromittierende und synkretistische Taktiken verfällt, die den grundlegenden Prinzipien unseres orthodoxen Glaubens widersprechen. Wir dürfen nicht vergessen, daß der richtige Glaube die erste und wichtigste Voraussetzung für die Rettung der Menschheit ist gemäß der göttlich inspirierten Erklärung: „Wer gerettet werden möchte, ist an erster Stelle verpflichtet, den katholischen Glauben zu bewahren; wenn er diesen Glauben nicht sicher und unversehrt bewahrt, ohne zu schwanken, wird er auf ewig verlorengehen" (Glaubensbekenntnis des hl. Athanasios von Alexandria).

 Wenn daher die rettende Botschaft der Orthodoxie verdunkelt wird und verlorengeht unter den verlockenden Botschaften der heterodoxen und nichtchristlichen Religionen um einer utopischen ökumenistischen Vision willen, dann wird die Hoffnung der Welt ebenfalls verloren sein.

Das Heilige Kloster des Parakliten

 
ÖKUMENISMUS

 Ökumenismus ist eine Bewegung, die erklärt, ihr Ziel bestehe in der Einheit der geteilten christlichen Welt (Orthodoxe, Römisch-Katholische, Protestanten und andere). Der Gedanke der Einheit berührt jede empfindsame christliche Seele und entspricht ihrem innersten Sehnen. Diesen Gedanken hat sich auch der Ökumenismus zu eigen gemacht. Doch die vereinigende Vision des Ökumenismus - eine Vision oberhalb aller Spiritualität - ist hauptsächlich auf menschliche Anstrengungen gegründet und nicht auf das Wirken des Heiligen Geistes, Der allein, wenn Er im Menschen auf Reue und Demut trifft, diese Vision realisieren kann.


Heutiger Ökumenismus

 Die Wurzeln des heutigen Ökumenismus liegen im Protestantismus des neunzehnten Jahrhunderts. Zu jener Zeit waren einige christliche Konfessionen angesichts des Mitgliederschwunds, der durch wachsende religiöse Gleichgültigkeit und organisierte antireligiöse Bewegungen verursacht wurde, gezwungen, sich zusammenzutun und miteinander zu arbeiten.

 Diese vereinigende Aktivität nahm im zwanzigsten Jahrhundert als Ökumenische Bewegung eine organisierte Form an, insbesondere ab 1948, als in Amsterdam der Weltkirchenrat (World Council of Churches, WCC) gegründet wurde, dessen Hauptquartier in Genf ist.

 Es ist wichtig festzuhalten, daß der Weltkirchenrat niemals einen ökumenischen Charakter hätte annehmen können, sondern eine innerprotestantische Angelegenheit geblieben wäre, wenn nicht einige lokale Orthodoxe Kirchen daran teilgenommen hätten. Die Römisch-Katholischen lehnten zunächst eine Teilnahme daran ab. Später jedoch traten sie in die ökumenische Bewegung ein, ohne organisches Mitglied des WCC zu werden. Mit dem entsprechenden Erlaß des Zweiten Vatikanischen Konzils (1964) leiteten sie ihre eigene besondere Version des Ökumenismus ein, die auf die Einheit aller Christen unter der Autorität des Papstes hinzielt.


Orthodoxe Teilnahme an der Ökumenischen Bewegung

 Man muß anerkennen, daß das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel die Schaffung der Ökumenischen Bewegung auf bedeutende Weise förderte. Dies geschah insbesondere durch die Proklamation von 1920, die, wie es sich herausstellte, die Basis und „Magna Charta" der orthodoxen Teilnahme an der Ökumenischen Bewegung wurde.

 Diese Proklamation war in der Geschichte der Kirche ohne Beispiel, denn zum ersten Mal charakterisierte ein offizieller orthodoxer Text alle heterodoxen Gemeinschaften des Westens als „Kirchen", als „Teil des Hauswesens Christi und Miterben sind, zu demselben Leib gehören und an derselben Verheißung in Christus Jesus teilhaben (Eph 3,6). Auf diese Weise wurde die orthodoxe Ekklesiologie gestürzt und verworfen. Um hier auf den Verweis auf frühere Epochen zu verzichten, genügt es zu erwähnen, daß erst wenige Jahre zuvor (1895) dasselbe Patriachat in einer seiner Enzykliken den Römischen Katholizismus als außerhalb der Kirche bezeichnete, denn er habe häretische Lehren und Erneuerungen eingeführt. So rief er ferner die westlichen Christen dazu auf, zu der Einen Kirche zurückzukehren, das heißt, zur Orthodoxie.

 Die Proklamation von 1920 jedoch, die als Prototyp den internationalen ‘Staatenbund‘ hatte, schlug die Gründung eines Verbandes und einer Bruderschaft zwischen den Kirchen vor mit den primären Zielen: a) einer erneuten Überprüfung der dogmatischen Unterschiede auf besänftigende Art und Weise; b) das Annehmen eines einheitlichen Kalenders (dessen partielle Verwirklichungen leider die interorthodoxe Kalenderspaltung mit sich brachte); und c) die Einberufung panchristlicher Konferenzen.

  Abgesehen vom Ökumenischen Patriarchat baten nach und nach alle Orthodoxen Kirchen darum, in den Weltkirchenrat aufgenommen zu werden, und sie wurden schließlich aufgenommen. Einige jedoch waren später gezwungen, sich zurückzuziehen und auszutreten, da sie einerseits mit Enttäuschung die Entartung der Ökumenischen Bewegung erkannten und andererseits durch massive antiökumenische Reaktionen von Seiten ihrer Herde unter Druck gesetzt wurden. Man konnte mit gutem Grund fragen: „Wie ist es möglich, daß die Orthodoxie ein ‘Mitglied‘ von ‘irgend etwas‘ ist, während sie doch zugleich das ‘Ganze‘, der Leib Christi ist und alle dazu aufruft, Glieder Seines Leibes zu werden?"

 Auf jeden Fall war die Anwesenheit der Orthodoxen Kirchen bei den Versammlungen des Weltkirchenrats angerspannt, wirkungslos und dekorativ. Die Entscheidungen des Weltkirchenrats wurden ausschließlich durch die überwältigende Mehrheit der protestantischen Stimmen geformt. Freilich legten die Orthodoxen bei den Generalversammlungen bis 1961 gesonderte Statements vor - einige davon stellten historische Bekenntnisse des Glaubens dar - als Repräsentanten der Einen, Heiligen, Katholischen und Apostolischen Kirche.

 In bezug auf die ökumenischen Vorschläge des Zweiten Vatikanischen Konzils war die orthodoxe Antwort - mit dem ökumenischen Patriarchen Athenagoras als wichtigstem Wortführer - positiv. Der Patriarch traf Papst Paul VI. in Jerusalem (1964), führte mit ihm zusammen die gegenseitige Aufhebung der Anathemata von 1054 durch und rief auf zum „Dialog der Liebe" - und auf diese Weise unterstützte er die Ziele des Zweiten Vatikanischen Konzils.


Die theoretischen „Vorgaben" des Ökumenismus

 Damit der Ökumenismus sein Ziel erreichen kann, ist er gezwungen, gewisse grundlegende Prinzipien der Orthodoxie neu zu überdenken oder sogar zu übersehen. Er unterstützt die Idee der „ausgeweiteten"oder „Breiten Kirche", nach der die Kirche eine ist und aus Christen jeder Konfession vom Augenblick ihrer Taufe an besteht. Auf diese Weise sind alle christlichen Kirchen untereinander „Schwesterkirchen".

 In demselben Geist ist die Idee der „Universellen sichtbaren Kirche" zu finden. Das bedeutet, eine Kirche, die ‘unsichtbar‘ existiert und aus allen Christen besteht, welche durch verschiedene wechselseitige Anstrengungen zur Vereinigung in ihrer sichtbaren Dimension erscheinen wird.

 Diese Ansichten wurden geformt und beeinflußt durch die protestantische „Theorie der Zweige" („branch theory"), nach der die Kirche ein „Baum" ist, wobei alle christlichen Konfessionen dessen „Zweige" bilden und jede von ihnen nur einen Teil der Wahrheit enthält.

 Wir sollten noch die Theorie der „zwei Lungenflügel" hinzufügen, die zwischen orthodoxen Ökumenisten und Papisten entwickelt wurde. Gemäß dieser Theorie sind die Orthodoxie und der römische Katholizismus zwei Lungenflügel, mit denen die Kirche atmet. Damit die Kirche wieder richtig zu atmen beginnt, müssen die beiden Lungenflügel ihre Atmung synchronisieren.

 Schließlich gehört zu den Methoden, die der Ökumenismus für die Wiederannäherung der Christen verwendet, noch der ‘dogmatische Minimalismus‘. Das ist ein Versuch, die Dogmen hinunter auf das Allernötigste zu reduzieren, auf das pure Minimum, um über die Unterschiede zwischen den Konfessionen hinwegzuspringen. Das Resultat jedoch besteht darin, die Dogmen zu übersehen und ihre Bedeutung herabzuwürdigen und zu bagatellisieren. „Mögen sich die Christen vereinigen", sagen sie, „und die Theologen werden die Dogmen später diskutieren"! Mit der Methode des dogmatischen Minimalismus mag es in der Tat recht einfach sein, daß sich die Christen vereinigen. Doch können solche ‘Christen‘ orthodox sein, das heißt, wirklichen Christen?

 

Das orthodoxe Verständnis der Kirche

 Der orthodoxen Ekklesiologie gemäß sind Kirche und Orthodoxie identisch. Die Kirche ist zweifellos orthodox, und die Orthodoxie ist die Eine, Heilige, Katholische und Apostolische Kirche, der Leib Christi. Da Christus Einer ist, ist auch die Kirche eine. Deshalb ist Spaltung in der Kirche nicht vorstellbar. Es kann nur eine Trennung von der Kirche geben. Das heißt, in bestimmten historischen Augenblicken schneiden sich die Häretiker und die Schismatiker von der Kirche ab und somit hören sie auf, Mitglieder der Kirche zu sein.

 Die Kirche besitzt die Fülle der Wahrheit, nicht nur einer abstrakten Wahrheit, sondern als eine Lebensweise, die den Menschen aus dem Tod rettet und ihn zu „Gott der Gnade nach" macht. Im Gegensatz dazu ist eine Häresie eine gänzliche oder teilweise Verwerfung der Wahrheit, ein Zerstückeln der Wahrheit, was dann den Charakter und die Pathologie einer Ideologie annimmt. Sie trennt den Menschen von der Art des Seins, die Gott Seiner Kirche vermittelte, und sie tötet ihn spirituell.

 Ferner sind die Dogmen, die die transzendenten Wahrheiten unseres Glaubens enthalten, nicht abstrakte und intellektuelle Ideen, die dem Verstand entspringen, noch viel weniger sind sie das Ergebnis von mittelalterlicher Verdunkelung oder theologischer Scholastik. Sie bringen statt dessen die Erfahrung und das Leben der Kirche zum Ausdruck. Wo daher ein Unterschied im Dogma besteht, besteht definitiv auch ein Unterschied in der Lebensweise. Wer daher die akrivia (Genauigkeit) des Glaubens geringachtet, kann nicht die Fülle des Lebens in Christo leben.

 Der Christ muß alles akzeptieren, was Christus offenbart hat. Nicht ein ‘Minimum‘, sondern das Ganze; denn in der Ganzheit und Unversehrtheit des Glaubens wird die Katholizität und Orthodoxie der Kirche aufbewahrt.

 Dies erklärt, warum die Heiligen Väter bis aufs Blut kämpften, um den Glauben der Kirche zu schützen, genauso auch ihre Sorge um die Wortwahl - unter der Erleuchtung des Heiligen Geistes - der ‘Vertragsbedingungen‘ der Ökumenischen Konzile. Diese ‘Vertragsbedingungen‘ sind nichts anderes als die ‘Kontrollpunkte‘, die Grenzen der Wahrheit, so daß der Gläubige die Kirche - als Orthodoxie - zu unterscheiden vermag von der Häresie.

 Die Heterodoxen trennten sich von der Kirche, indem sie die Fülle der Wahrheit verwarfen. Das ist der Grund, weswegen sie Häretiker sind. Ihnen mangelt es daher an der heiligenden Gnade des Heiligen Geistes. Somit sind ihre ‘Mysterien‘ (Sakramente) nicht gültig. Folglich kann ihnen die Taufe, die sie vornehmen, nicht den Zutritt zur Kirche Christi gewähren.

 Der 68. Kanon der Heiligen Apostel stellt fest: „Jene, die von Häretikern getauft oder geweiht wurden, können weder treue Christen noch Kleriker sein." Der hl. Nikodemos der Agiorit fügt hinzu: „Die Taufe aller Häretiker ist nicht gottgemäß und blasphemisch und hat keinerlei Gemeinschaft mit jener der Orthodoxen."

Was sagen uns hingegen die orthodoxen Ökumenisten? 

 Ein orthodoxer Hierarch hat proklamiert: „Der Heilige Geist ist bei jeder christlichen Taufe anwesend", und die Wiedertaufe getaufter heterodoxer Christen durch Orthodoxe sei inspiriert durch „Engstirnigkeit, Fanatismus und Bigotterie... (Dies) ist ein Unrecht, begangen gegen die christliche Taufe und letztlich eine Blasphemie gegen Gottes Heiligen Geist."[2]

 Ein anderer Hierarch wendet sich an die Heterodoxen mit folgenden Worten: „Wir sind alle Mitglieder Christi, (der) eine und einzige Leib, die eine und einzige ‘neue Schöpfung‘ in Anbetracht der Tatsache, daß unsere gemeinsame Taufe uns vom Tod befreit hat."[3]

 Die ökumenistische Ekklesiologie wurde offiziell gleichfalls wie folgt zum Ausdruck gebracht: „Wir sind verpflichtet, bereit zu sein dafür, die Anwesenheit der Kirche außerhalb unserer eigenen kanonischen Grenzen, mit denen wir die Eine, Heilige, Katholische und Apostolische Kirche identifizieren, zu suchen und anzuerkennen."[4]

 Doch es gibt auch jene, die noch kühner sind und die Wiedergründung der Kirche durch die Vereinigung aller Christen anvisieren. Ein orthodoxer Hierarch behauptet: „Wir brauchen ein neues Christentum, das auf völlig neuen Wahrnehmungen und Begriffen basiert. Wir können nicht jene Art von Religion lehren, die uns für die nächste Generation überliefert wurde."[5] 

 

Die Dialoge der Vergangenheit 

 Um sein Ziel zu erreichen, verwendet der Ökumenismus eine Vielzahl von Mitteln. Das grundlegendste Mittel ist der Dialog.

 Keiner streitet die Tatsache ab, daß die Orthodoxe Kirche von Natur aus für den Dialog offen ist. Gott ist stets im Dialog mit den Menschen, und die Heiligen der Kirche haben den Wortwechsel mit der Welt nie abgelehnt.

 Die Heiligen, die sich ihrer eigenen Kommunion mit Gott bewußt sind, versuchen durch den Dialog die Erfahrung der Wahrheit zu vermitteln, die sie leben. Für die Heiligen war die Wahrheit ein Gegenstand der Erforschung. Sie forschten nicht danach, sie verhandelten nicht darüber; sie boten sie nur an. Wenn der Dialog die Heterodoxen nicht zur Verwerfung ihres irrigen Glaubens und zur Annahme des orthodoxen Glaubens führte, setzten sie ihn nicht fort.

 Der hl. Markos von Ephesos führte den Dialog mit den Römisch-Katholischen auf dem Konzil zu Ferrara-Florenz (1438-1439). Als er jedoch ihre Überheblichkeit sah, ihre Unnachgiebigkeit und ihr hartnäckiges Festhalten am Irrtum, brach er alle Beziehungen mit ihnen ab - bis zu dem Punkt, daß er die orthodoxen Gläubigen dazu aufrief „die Beziehungen mit den Papisten zu vermeiden, wie man eine Schlange vermeidet."

 Ein theologischer Dialog wurde auch zwischen dem Ökumenischen Patriarchen Jeremias II. Tranos und den protestantischen Theologen von Tübingen begonnen (1579). Als er sich darüber gewiß wurde, daß der Dialog fruchtlos blieb, beendete er ihn. Der Patriarch schrieb: „Bitte entlassen Sie uns aus dieser Beschäftigung. Gehen Sie daher Ihre eigenen Wege, und wenn Sie mögen, können Sie uns schreiben, doch nicht mehr bezüglich der Dogmen." 

 

Die Dialoge der Ökumenisten

  Die heutigen ökumenischen Dialoge unterscheiden sich radikal von den Dialogen der Heiligen, denn sie werden auf der Basis der Prinzipien einer erweiterten Kirche und des dogmatischen Minimalismus geführt. Aus diesem Grund sind sie unorthodox und fruchtlos. Der Beweis dafür ist, daß sie in den fast 100 Jahren, in denen die Gespräche geführt wurden, nichts hervorgebracht haben, was für die Einheit der christlichen Welt von Wert wäre. Im Gegenteil, sie hatten Erfolg darin, die Orthodoxen zu spalten!

Die Hauptaspekte der Krankengeschichte der heutigen Dialoge sind die folgenden:

A.      Mangel an orthodoxem Bekenntnis.

 In den Dialogen bringen gewisse orthodoxe Repräsentanten nicht den unerschütterlichen Glauben der Orthodoxen Kirche zum Ausdruck, daß diese in Wirklichkeit die einzige Kirche Christi auf Erden ist. Daher führen sie nicht die heilige Tradition und die spirituelle Erfahrung der Orthodoxie an, die sich von den Traditionen und Erfahrungen des westlichen Christentums unterscheidet. Nur solch ein bekennender Standpunkt wäre in der Lage, der orthodoxen Präsenz bei den Dialogen Berechtigung zu verleihen und sie produktiv und fruchtbar zu machen.


B.       Mangel an Aufrichtigkeit.

 Der Mangel an orthodoxem Zeugnis in Kombination mit der vorgeführten Unaufrichtigkeit der Heterodoxen macht den interchristlichen Dialog noch komplizierter und ineffektiver. Infolgedessen werden häufig wechselseitige oberflächliche Kompromisse oder zweideutige Sprache und Begrifflichkeit verwendet, um die Unterschiede zu verhüllen.

 Wenn, an erster Stelle, die Römisch-Katholischen aufrichtig wären, würden sie in ökumenischen Kreisen frank und frei das proklamieren, was sie bei ihren Gläubigen betonen - ihr nicht verhandelbares Festhalten an das Primat des Papstes und seine Unfehlbarkeit. Das würde natürlich klar zeigen, wie sie die Einheit der Christen sehen: nicht als Einheit des Glaubens, sondern als Unterwerfung aller unter die Oberhoheit des Papstes. Zusätzlich dazu würde dies den Schluß bekräftigen, daß die Institution des Papsttums einerseits die tragischste Entstellung des Evangeliums enthält, und andererseits den Dialog einzig um seiner eigenen expansionistischen Politik willen benutzt.

 Der wesentliche Ausdruck dieser Unaufrichtigkeit der Papisten ist darin zu finden, daß sie die Unia[6] aufrechterhalten und stärken. Dies ist eine perfide und subversive Einrichtung, die das Papsttum benutzte und nach wie vor als Modell der Vereinigung anwendet, trotz all der heftigen Einwände der Orthodoxen und trotz der Tatsache, daß sie heutzutage das primäre Hindernis für die bilateralen Gespräche darstellt.

 Wenn auf der anderen Seite die vielgestaltigen protestantischen Gruppierungen ehrlich wären, würden sie geradeheraus bekunden, daß sie nicht länger willens sind, ihre fundamentalen protestantischen Prinzipien zu kompromittieren und daß es in Wirklichkeit andere Prinzipien sind, die sie zum Dialog zwingen. Das wird ohnehin deutlich offenbar durch die Entartung ihrer ‘Kirchen‘ deutlich (Frauenordination, gleichgeschlechtliche Ehen usw.).

 

C.      Überbetonung der Liebe.

 Da Unehrlichkeit und selbstsüchtige Motive die Dialoge vergiftet haben, die auf endlose und fruchtlose theologische Debatten reduziert wurden, versuchte man den Ereignissen eine andere Wendung zu geben. Die Dialoge wurden nun „Dialoge der Liebe" genannt, sowohl um damit Eindruck zu machen, als auch, um die Hürde der dogmatischen Auseinandersetzungen zu umgehen. „Liebe kommt an erster Stelle", betonten sie. „Die Liebe zwingt uns dazu, uns zu vereinigen, auch wenn es dogmatische Unterschiede gibt."

 Aus diesem Grund ist ihre Methode in den heutigen Dialogen, daß es keine Diskussion über die Dinge geben darf, welche trennen, sondern nur über die Dinge, welche vereinen, um Raum zu schaffen für ein unwahres Gefühl von Einigkeit und gemeinsamem Glauben. In den Ökumenischen Synoden der Vergangenheit diskutierten die Väter jedoch stets genau das, was trennte. Dasselbe geschieht auch heute in jedem Dialog zwischen zwei Parteien, die sich voneinander unterscheiden: Sie diskutieren die Punkte, die sie trennen - das ist ja in Wirklichkeit der ganze Sinn des Dialogs -, und nicht die Punkte, die sie gemeinsam haben.

 Für uns Orthodoxe sind Liebe und Wahrheit untrennbare Begriffe. Ein Dialog der Liebe ohne Wahrheit ist falsch und unnatürlich, wohingegen ein Dialog der Liebe „in Wahrheit" bedeutet: Mit den Heterodoxen aus Liebe Gespräche zu führen, um ihre Irrtümer aufzuzeigen und wie sie zur Wahrheit zu führen sind. Wenn ich sie wirklich liebe, muß ich ihnen die Wahrheit sagen, so schwierig oder schmerzlich das auch sein mag.

 

D.      Die Abstumpfung orthodoxer Kriterien.

 Zur Krankengeschichte dieser Dialoge gehört auch die Betäubung orthodoxer theologischer Kriterien, und diese ist entstanden infolge der Pflege einer „ökumenischen Höflichkeit" in den persönlichen Beziehungen und Freundschaften unter heterodoxen Theologen. Es wird nicht länger der Glaube als die rettende Wahrheit erachtet, sondern das Gesamt der theoretischen Wahrheiten, die Kompromisse zulassen.

 Die orthodoxen Ökumenisten behaupten: „Wir diskutieren ja nur, wir verändern nicht unseren Glauben!" Natürlich ist der Dialog, als eine „liebende Herangehenswseise" gottgefällig. Der ökumenistische Dialog jedoch, wie er heute durchgeführt wird, ist keine Begegnung in der Wahrheit, sondern eher eine „wechselseitige Anerkennung". Das bedeutet, daß wir die heterodoxen Gemeinschaften als Kirchen anerkennen; daß wir zugestehen, daß ihre dogmatischen Unterschiede „legitime Ausdrucksformen" desselben Glaubens darstellen. Indem wir dies tun, geraten wir jedoch in die Falle des dogmatischen Synkretismus: Wir stellen Wahrheit und Täuschung auf dieselbe Stufe; wir stellen Licht und Finsternis gleich.

 

E.       Gemeinsames Gebet

 Infolge der Betäubung ihrer theologischen Kriterien, ist es für orthodoxe Ökumenisten ganz natürlich, ohne zu zögern, an gemeinsamen Gottesdienst-Shows mit den Heterodoxen und an gemeinsamen Gebeten teilzunehmen, die regelmäßig bei den interchristlichen Treffen stattfinden. Sie wissen, daß dadurch innerhalb der gemeinsamen ökumenischen Spiritualität das rechte psychische Klima geschaffen wird, was notwendig ist für den Fortschritt gemeinsamer Bemühungen.

 Die heiligen Kanones der Kirche jedoch verbieten uns strikt, mit den Heterodoxen zu beten, denn die Heterodoxen teilen nicht den orthodoxen Glauben. Sie glauben an einen anderen, entstellten Christus. Aus diesem Grund nennt sie der hl. Johannes Damaskenos Ungläubige: „Wer nicht gemäß der Tradition der Katholischen [Ganzen, d. h. Orthodoxen] Kirche glaubt, ist ein Ungläubiger."

 Zusammen mit den Heterodoxen zu beten, ist daher verboten, denn es bekennt den Glauben und die Teilnahme an der Glaubenshaltung des anderen, der betet, und es vermittelt dem anderen den falschen Eindruck, daß er sich nicht im Irrtum oder in der Täuschung befände und sich daher nicht der Wahrheit zuzuwenden bedürfe.


F.      
Interkommunion.

 Wenn die heiligen Kanones das gemeinsame Gebet mit den Heterodoxen verbieten, so verbieten sie noch strenger unsere Teilnahme an den ‘Sakramenten‘ der Heterodoxen. Doch sogar in diesem Punkt waren wir Orthodoxen nicht konsequent.

 Das Zweite Vatikanische Konzil schlug im Rahmen der ökumenistischen „Vorgaben", die es erstellte, die Interkommunion mit den Orthodoxen vor: die Römisch-Katholischen wären in der Lage, in orthodoxen Kirchen zu kommunizieren und die Orthodoxen in katholischen. Auf diese Weise - so glauben sowohl die Römisch-Katholischen als auch die orthodoxen Ökumenisten - würde die Vereinigung des Katholizismus mit der Orthodoxie allmählich de facto geschehen, trotz all ihrer dogmatischen Unterschiede.

 Wenn diese Position für die Römisch-Katholischen infolge ihrer Wahrnehmung der Kirche und der Sakramente (geschaffene Gnade usw.) gerechtfertigt ist, ist sie doch für uns Orthodoxe unlogisch und unakzeptabel. Unsere Kirche hat niemals die Heilige Eucharistie als Mittel betrachtet, um Vereinigung herbeizuführen, sondern stets als deren Siegel und Krone.

 Außerdem setzt der gemeinsame Kelch einen gemeinsamen Glauben voraus. Das bedeutet, mit anderen Worten, daß ein orthodoxer Christ, der in einer römisch-katholischen Kirche kommuniziert, den papistischen Glauben akzeptiert.
 

Zusammenarbeit in praktischen Angelegenheiten

 Ein weiteres Mittel, um die Ziele des Ökumenismus zu erreichen, ist die interchristliche Zusammenarbeit. Ökumenisten behaupten, die verschiedenen gegenwärtigen Probleme (sozial, ethisch, die Umweltprobleme und andere) würden uns dazu verpflichten, uns zu vereinigen.

 Gewiß, die Kirche hat stets große Sensitivität gegenüber allen menschlichen Problemen erwiesen, und das ist allzeit so. Doch die Zusammenarbeit mit Häretikern, um eine Lösung für diese Probleme zu finden, bringt folgende Nachteile mit sich:

a) Die Stimme der Orthodoxie verliert ihre lichte Klarheit, wenn sie vermischt ist mit anderen christlichen Stimmen und vermag dann dem heutigen Menschen nicht mehr ihre eigene einzigartige Lebensweise zu vermitteln, die theanthropozentrisch (Gottmensch-zentriert) im Gegensatz zur anthropozentrischen (Mensch-zentrierten) Lebensweise der Heterodoxen.

b) Die Kirche erliegt der Versuchung des Säkularismus, indem sie in ihrer sozialen Arbeit dieselben weltlichen Praktiken der anderen Konfessionen anwendet auf Kosten ihrer Botschaft der Rettung. Was der moderne Mensch am nötigsten hat ist jedoch nicht die Verbesserung des Lebens, basierend auf einem weltlichen Christentum, auch wenn dieses alle sozialen Wunden zum Verschwinden brächte, sondern seine Befreiung von der Sünde und seine Theosis (Vergöttlichung) innerhalb des wahren Leibes Christi, der Orthodoxen Kirche.

c) Den orthodoxen Gläubigen, welche sehen, wie ihre eigenen kirchlichen Hirten mit den Heterodoxen zusammenarbeiten, wird der irrige Eindruck vermittelt, daß die Heterodoxen trotz ihrer dogmatischen Unterschiede auch zur Kirche Christi gehören würden.   
 

Austausch von Besuchen

 In den letzten wenigen Jahren ist für die verschiedenen Konfessionen die ökumenistische Politik aufgekommen, offizielle Besuche auszutauschen, und diese Besuche von hochrangigen Klerikern durchführen zu lassen. Sie schließen oft Grußansprachen, Küsse, Austausch von Geschenken, gemeinsame Essen, gemeinsames Gebet, gemeinsame Erklärungen und andere freundschaftliche Gesten ein.

 Insbesondere ist von 1969 an die wechselseitige Teilnahme der Orthodoxen und Römsisch-Katholischen an den jährlichen Thronfesten in Rom und Konstantinopel zur Regel geworden. Diese Zusammenkünfte können leider nicht mehr als bloße formelle oder zeremonielle Gesten gewertet werden. Die Ökumenisten selbst bekennen, daß bei diesen gemeinsamen Zelebrationen und ihrer gegenseitigen Anerkennung eine gewisse Art von ekklesiastischer Kommunion erfahren wird.

 Unsere gläubige Herde jedoch erfährt eine unerfreuliche Überraschung, wenn sie diese Besuche in den Medien sieht. Sie ist entrüstet, verbittert, schockiert und verwirrt und ist Zweifeln und Infragestellungen überlassen, wenn sie ihre Hirten sprechen hört - einerseits mit ganz orthodoxer Zunge, den Heiligen Vätern gemäß, und sie andererseits sieht, wie sie sich unter den Heterodoxen mit dem Gehabe von Diplomaten bewegen.


Die interreligiöse Evolution des Ökumenismus

 Schon recht früh kam es in der Ökumenischen Bewegung zu einer tiefen Krise in bezug auf die Bestimmung der Richtung. Infolge dieser Krise war sie anfänglich gezwungen, sich den soziokulturellen Problemen der Menschen zuzuwenden, wobei sie die Theologie als Weg zur Einheit verwarf, später jedoch, indem sie sich den nichtchristlichen Religionen öffnete. In der Ökumenischen Bewegung ist allgemein akzeptiert, daß alle Religionen zusammen mit dem Christentum verschiedene Wege zum Heil darstellen und daß der Heilige Geist auch in jenen aktiv und wirksam ist. Ihr Slogan ist das „New Age"-Axiom: „Glaube, was du willst, nur beanspruche keine Exklusivität über die Wahrheit und den Weg zum Heil."

 Von daher werden interreligiöse Treffen einberufen, die nicht nur wissenschaftliche Konferenzen darstellen, wie ihre Organisatoren behaupten, sondern Zusammenkünfte, die ihre Einheit im Glauben an den einen Gott als Grundlage bekunden. Aus diesem Grund führen sie oft gemeinsame Gebetsveranstaltungen durch, in denen Orthodoxe, Heterodoxe und Nichtchristen zusammen beten. Der Dreieine Gott der Orthodoxen, der wahre und Sich Selbst offenbarende Gott, ist jedoch nicht derselbe „Gott" der Heterodoxen und der anderen Religionen; nicht irgendein vorgestellter „Gott" also, der geschaffen und bewahrt wurde durch das religiöse Bedürfnis des gefallenen Menschen.

 Leider wird diese interreligiöse Vorgehensweise auch von orthodoxen ökumenistischen Hierarchen geteilt, die Meinungen wie die folgenden zum Ausdruck bringen:

„Die ökumenische Bewegung muß jetzt, obwohl sie einen christlichen Anfang hatte, eine Bewegung aller Religionen werden... Alle Religionen dienen Gott und dem Menschen. Es gibt nur einen Gott..."[7]    

Tief unten streben sowohl die Kirche als auch die Moschee nach demselben geistigen Würdigwerden des Menschen."[8]

„Der Islam spricht im Koran über Christus, über die Panagia, und wir sollten ebenfalls mit demselben Mut und derselben Kühnheit sprechen. Wir sollten auf seine Geschichte blicken und sehen, was er anzubieten hat; auf seine Predigt des einen Gottes und das Leben seiner Anhänger, die Anhänger des einen Gottes sind..."[9]

„Römische Katholiken und Orthodoxe, Protestanten und Juden, Muslime und Hindus, Buddhisten und Konfuzianer - nun ist die Zeit gekommen, daß wir alle zusammen die spirituellen Prinzipien des Ökumenismus voranbringen... Wir sind alle im Geist des einen Gottes vereint."[10]

 Das Hauptziel der interreligiösen Treffen ist die Schaffung von Kontaktstellen zwischen den Religionen, so daß ein vereinter Widerstand gegenüber sozialen und internationalen Problemen leichter verwirklicht werden kann. Dieses Ziel wird zuweilen von mächtigen Weltführern genutzt, die die Hilfe der Religionen zu gewinnen versuchen, um ihre ungesetzlichen Eigeninteressen voranzutreiben. Dies trat klar in Erscheinung nach dem 11. September 2001, als eine Reihe von interreligiösen Versammlung „auf Kommando" durchgeführt wurden.

 Auf diese Weise wird jedoch unsere Kirche, statt Instanz zur Prüfung und Verurteilung der Gesetzlosigkeit zu sein, deren Unterstützer und Bewahrer. Unsere Kirche wird eingeschlossen in die erdgebundenen Ansichten verschiedener Religionen und auf das Niveau einer weltlichen Religion mit einem utilitaristischen und zweckmäßigen Charakter erniedrigt. Zugleich ist sie gezwungen, ihren apostolisch-missionarischen Auftrag zu mißachten, da ihre offiziellen Repräsentanten die Aussage akzeptieren, daß alle Religionen „von Gott gewollte Wege zum Heil" seien![11] 

 Gewisse orthodoxe Ökumenisten jedoch erreichen den Punkt, über Frieden, über Gerechtigkeit, über Freiheit und andere par excellence spirituelle Qualitäten auf eine kalte, unpersönliche, weltliche Weise zu sprechen. Sie vernachlässigen es zu erwähnen, daß diese spirituellen Qualitäten Früchte des Heiligen Geistes sind, göttliche Gaben, die jenen zuteil werden, die sich im spirituellen Kampf „in Christus Jesus" mühen, nicht bei interreligiösen Versammlungen.

 Es sollte jedoch betont werden, daß die Orthodoxie keine Religion ist, nicht einmal die Beste aller Religionen. Sie ist die Kirche: die Selbstoffenbarung und Manifestation Gottes in der Geschichte. Die Orthodoxie ist sich ihrer Ökumenizität (Universalität) und der Wahrheit über Christus bewußt, die sie besitzt, und deshalb hat sie keine Angst hinsichtlich ihrer Beziehung zu den Nichtchristen. Sie kennt jedoch die Grenzen dieser Beziehungen, wie sie von der heiligväterlichen Tradition und von ihrer eigenen mysteriologischen Erfahrung festgelegt wurden. Zum Beispiel führte der hl. Gregor Palamas unter den grausamen Bedingungen der Gefangenschaft Debatten mit den osmanischen Türken. Er zögerte jedoch nicht - auch unter dem Risiko, sein eigenes Leben zu verlieren -, die Wahrheit zu sagen und ihre Täuschung und ihren Irrglauben zu entlarven. Überdies, wie traten die heiligen Märtyrern den Götzenanbetern gegenüber auf und die Neumärtyrer gegenüber den Moslems? Haben sie nicht die Wahrheit bekannt? Können wir uns vorstellen, daß sie zusammen mit ihnen beteten? Wäre das der Fall, hätten wir keine Märtyrer!

 Daher lehnt es unsere Kirche ab, ihre Einzigartigkeit auf dem Altar der Zweckmäßigkeit zu opfern und den ökumenischen Slogan zu akzeptieren, daß „in allen Religionen unter verschiedenen Namen derselbe Gott angebetet" wird. Die Orthodoxe Kirche glaubt fest, daß der Mensch durch Christus gerettet wird gemäß dem apostolischen Diktum: Und in keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen (Apg 4,12).
 

Was, schließlich, ist Ökumenismus?

 Nach den aufeinanderfolgenden Entwicklungen und der allmählichen Entfernung der Ökumenischen Bewegung von ihren ursprünglichen Zielen fragen sich die orthodoxen Gläubigen zu Recht: Ist es nicht klar zu sehen, daß das Ziel des Ökumenismus nicht nur die Vereinigung der Christen ist, sondern die Durchsetzung einer synkretistischen, weltweiten Religion[12], die Gleichmachung von allem und die Umwandlung der Kirche Christi in einen „Club religiöser Leute", in eine weltliche Organisation wie die Vereinten Nationen, sinnentleert und entspiritualisiert?

Wie aber sieht unsere traditionelle Orthodoxie den Ökumenismus?

„Natürlich ist der Ökumenismus - in der Bedeutung, wie das Wort vorherrschend verwendet wird - eine Häresie, denn er bedeutet die Zurückweisung der grundlegenden Prinzipien des orthodoxen Glaubens, wie beispielsweise die Annahme der sogenannten Zweig-Theorie, daß jede Kirche einen Teil der Wahrheit besitzt und alle Kirchen sich vereinigen und die Stücke der Wahrheit auf den Altar legen sollen, um ein Ganzes zu formen. Wir glauben, daß die Orthodoxie die Eine, Heilige, Katholische und Orthodoxe Kirche ist. So ist es. Das ist nicht verhandelbar; und folglich, wer auch immer das Gegenteil bekundet, kann als Ökumenist bezeichnet werden und daher als Häretiker." (Christodoulos, Erzbischof von Athen, Interview im Kirchenradio, 24.05.1998)

„Ökumenismus ist die kollektive Bezeichnung für das Pseudo-Christentum der Pseudo-Kirchen Westeuropas... All diese Pseudo-Christentümer, all diese Pseudo-Kirchen sind nichts anderes als eine Häresie nach der anderen. Ihr kollektiver Name, vom Evangelium her gesehen, ist ‘Panhäresie‘. Warum? Im Laufe der Geschichte leugneten oder verzerrten verschiedene Häresien bestimmte Aspekte des Gottmenschen, des Herrn Christus, doch diese europäischen Häresien schaffen den Gottmenschen zur Gänze beiseite und stellen den europäischen Menschen an Seinen Platz." (Archimandrit Justin Popović)

„Ökumenismus ist nicht eine Häresie oder Panhäresie, wie er normalerweise genannt wird. Er ist etwas viel schlimmeres als eine Panhäresie. Die Häresien waren offenkundige Feinde der Kirche. Die Kirche konnte sie daher bekämpfen und besiegen. Der Ökumenismus jedoch ist gleichgültig gegenüber dem Glauben der Kirche und den dogmatischen Unterschieden zwischen den Kirchen. Er ist die Überschreitung, die Entschuldigung, das Übersehen, wenn nicht die Legitimierung und Rechtfertigung der Häresie. Er ist ein hinterhältiger, heimtückischer Feind - und genau darin liegt die tödliche Gefahr." (Professor Andreas Theodorou)



Reaktionen auf die Ökumenische Bewegung

  In der heutigen orthodoxen Welt vermehren sich ständig die Reaktionen gegen den Ökumenismus und jene, die ihn repräsentieren. Viele Bücher, Artikel und Kritiken werden ans Licht der Öffentlichkeit, in denen unter großem Schmerz und großer Qual die Ansicht zum Ausdruck gebracht wird, daß wir „nach Plan" in eine Babylonische Gefangenschaft der Orthodoxie innerhalb dieser Häresie der vielen Gesichter und vielen Namen hinein marschieren.

 Es gibt einige ausgezeichnete orthodoxe Kleriker und Theologen, die den sofortigen Rückzug der Orthodoxie aus der Ökumenischen Bewegung und ihren Konferenzen vorschlagen, denn sie glauben, daß die orthodoxe Teilnahme daran nicht nur fruchtlos ist, sondern auf vielerlei Weise sogar schädlich.

 Einige Kirchen haben sich schon aus dem Weltkirchenrat zurückgezogen, während andere dazu gezwungen sind, lange und intensiv über ihre eigene Teilnahme nachzudenken. Dieser Kummer und dieses Unbehagen kamen auch auf dem Interorthodoxen Treffen in Thessaloniki im Jahr 1998 zum Ausdruck, als unter anderem festgestellt wurde, daß „nach einem ganzen Jahrhundert der orthodoxen Teilnahme an der Ökumenischen Bewegung und einem halben Jahrhundert Anwesenheit im Weltkirchenrat..., die Kluft zwischen den Orthodoxen und den Protestanten noch tiefer geworden ist. 

 

Die Teilnahme der Gläubigen an der Ökumenischen Bewegung

 Wir wissen, daß die Gläubigen und frommen Menschen Gottes das Kriterium für die Orthodoxie bleiben. Keiner - weder Patriarchen noch Synoden - kann das Gewissen der Gläubigen umgehen oder zum Schweigen bringen. Aus diesem Grund „sollte es keinen Dialog geben oder irgendeine Entscheidung gefällt werden, wenn das wache Gewissen der Kirche (gnadenerfüllte Kleriker, Laien, Menschen aus dem Mönchstand) nicht damit einverstanden ist" (Metropolit Ierotheos [Vlachos] von Nafpaktos).

 

Die ökumenistischen Dialoge, wie sie praktiziert werden, werden innerhalb der Kreise der akademischen Theologie und durch andere kirchliche oder nichtinstitutionelle Organisationen unterstützt und aufrechterhalten, die danach trachten, gewisse Vorteile in politischer, finanzieller, internationaler und öffentlicher Hinsicht zu erlangen. Sie entspringen nicht aus einem Bedürfnis des kirchlichen Leibs, sondern sie werden von „außen" und „oben" auferlegt. Diese Tatsache beleuchtet ein ungesundes Phänomen: die Autonomie der administrativen Institutionen der Orthodoxen Kirche heutzutage. Die kirchliche Administration ist, mit anderen Worten, abgetrennt von theologischer Erörterung, aber auch von den Ansichten, den Sorgen und der Erfahrung des kirchlichen pleroma.

  Daher ist es so, daß das Volk Gottes nicht aktiv an diesen Dialogen teilnimmt, noch darüber objektiv und verantwortungsvoll informiert wird. Außerdem tragen die Entscheidungen, die während dieser Dialoge gefällt werden, nicht immer das Siegel der authentischen Konziliarität; sie sind nicht genuin synodisch, sondern sie werden gewöhnlich von einigen besonderen „Professionellen" des Ökumenismus getroffen. Ein orthodoxer Hierarch hat bezeichnenderweise bekannt: „Die orthodoxen Gläubigen wissen nichts über die Ökumenische Bewegung... doch kann die Ökumenische Bewegung vielleicht froh darüber sein, das das orthodoxe Volk nichts weiß über das, was in Genf vorgeht!"[13] 


Unsere Pflicht

Wir leben zweifellos in einer Periode kosmischer Veränderungen. Geschehnisse, anscheinend gelenkt, rasen voran in wahnsinnigem Tempo. Der Ökumenismus entfaltet sich in dem zerstörerischen, einebnenden Standpunkt des Globalismus, der von mächtigen ökonomisch-politischen Organisationen vorangetrieben wird. Keiner nimmt die Ansicht mehr ernst, der Ökumenismus könne eine sichtbare und verläßliche Lösung für das Problem der christlichen Einheit liefern.

 Als orthodoxe Christen sollten wir uns weder in unseren Elfenbeinturm zurückziehen, noch unsere Wachsamkeit sinken lassen. Wenn wir wirklich das Leben der Menschen wertschätzen und achten, wenn wir wirklich Schmerz im Herzen empfinden für die Menschen der westlichen Welt, die gequält sind durch die Sackgasse ihrer religiösen Traditionen, wie auch für jene in der östlichen Welt, die in dämonischen Täuschungen gefangen sind, haben wir die Verpflichtung, unserer Heiligen Kirche gegenüber treu zu bleiben. Wir müssen den traditionellen Glauben unserer Väter rein und unverändert bewahren und ihn authentisch innerhalb unseres täglichen Kampfes um unsere eigene Heiligung und theosis leben. Der rechte Glaube und ein strenges und präzises Leben wird uns fähig machen, die Orthodoxie zu bezeugen, sogar bis zum - und warum nicht? - Martyrium, falls und wenn es die Zeiten erfordern.

 An der Orthodoxie festzuhalten, das heißt, an der Echtheit des Lebens, und die Wahrheit zu bewahren, welche befreit und rettet, ist nicht Egoismus, Fanatismus oder Intoleranz. Es bringt eher die ökumenische (universelle) Dimension, die Liebe und Menschenliebe der Orthodoxen Kirche zum Ausdruck. Es bildet die letzte Möglichkeit für eine radikale spirituelle Veränderung im Westen, doch auch für den Osten, aus der Gefangenschaft durch ihre falschen Götter zu entkommen.       


 

* Vortrag, gehalten auf der Panorthodoxen Konferenz „Ökumenismus" im Jahr 2004 in Thessaloniki http://uncutmountain.com/uncut/docs/hmparaklete_ecumenism.pdf 

Deutsche Übersetzung in „Der Schmale Pfad" Band 30, Apelern (Deutschland), Dezember 2009. Übersetzt vom Herausgeber der Reihe, Johannes A. Wolf.

[1] Katholisch: dem Ganzen gemäß, allumfassend; „ökumenisch": von gr. oikuméni: die bewohnte Erde, der Erdkreis, die Menschheit. Gemeint ist, daß die Orthodoxe Kirche die gesamte, vollständige Heilslehre besitzt, die für den ganzen Erdkreis, die ganze Menschheit bestimmt ist. (Anm. Übers.)
[2] Journal The Illuminator, Sommer 1995, Pittsburgh USA. (Alle Anm. vom Verf.)
[3] Zeitschrift Επίσκεψης, Nr. 370, S. 9, Genf 1987.

[4] Zeitschrift Επίσκεψης, Nr. 260, S. 13-14, Genf 1981.
[5] Athener Zeitung Εστία, 5-10-1967.

[6] Die Unia ist ein religiös-politisches Vorhaben, das vom Papsttum zur Verwestlichung der Christen des Ostens erfunden wurde. Es nutzte die schwierigen historischen Umstände aus, mit denen diese Christen konfrontiert waren, und zwang sie, sich der päpstlichen Autorität zu unterwerfen. Sie wurden jedoch dazu ermutigt, nicht ihre kirchlichen Gebräuche zu verändern (klerikale Kleidung, liturgisches Typikon usw.), um durch diese Verdunkelung zu verhüllen und die papistische Propaganda zu fördern.

[7] Athener Zeitschrift „Die Orthodoxe Presse", August-September 1969.

[8] Zeitschrift Επίσκεψης, Nr. 494, S. 23, Genf 1993.

[9] Zeitschrift Πανταινος, Nr. 1/1991, S. 59, Alexandria, Ägypten.

[10] Zeitschrift Επίσκεψης, Nr. 511, S. 28, Genf 1994.

[11] Zeitschrift Επίσκεψης, Nr. 523, S. 12, Genf 1995.

[12] Wie von Priestermönch Seraphim Rose in „Orthodoxy and the Religion of the Future" bereits vor 35 Jahren klar erkannt und beschrieben wurde, siehe: Der Schmale Pfad, Bd. 16, Juni 2006. (Anm. Übers.)

[13] Zeitschrift „Ekklesia" Nr. 13, S. 500a, Athen 1994.




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