Über das Schauen des Ungeschaffenen Lichts


Archimandrit Georgios Kapsanis
 
Über das Schauen des Ungeschaffenen Lichts (1)

Einleitung

Gemäß dem großen Erleuchter der Kirche, dem heiligen Gregor Palamas, gibt es drei Arten von Theologien:
1. Die zuverlässige und mystische der gottschauenden Theologen, die aus persönlicher Erfahrung und Gemeinschaft mit dem Lebendigen Gott sprechen.

2.  Die philosophische Theologie derjenigen, die keine persönliche Erfahrung der Gottesschau
haben, doch in Demut die Erfahrungen und Gottesschau der Heiligen akzeptieren und in
Übereinstimmung mit denselben theologisieren. Diese Theologie benutzt die beweisführende
Methode, das heißt jene, die die theologischen Thesen beweist durch Folgerungen aus der göttli-
chen Offenbarung und den schriftlich niedergelegten Erfahrungen der Heiligen.

3.   Die neue Theologie der dreisten Theologen, die die Erfahrungen der Heiligen verwerfen und
dialektisch theologisieren entsprechend ihren eigenen philosophischen Grundsätzen. Repräsentant dieser dialektischen Theologie war zur Zeit des heiligen Gregor Palamas der westliche Mönch Barlaam.

Der beweisführenden Methode folgten auch die Väter des Heiligen Bergs, die den Hagioritischen Tomos des Jahres 1340 verfaßten, in welchem sie abschließend festhalten: "Dies haben uns die Heiligen Schriften gelehrt, dies haben wir von unseren Vätern empfangen, dies haben wir aus unserer eigenen kleinen Erfahrung erkannt." 2

Bezeichnend ist auch die Art und Weise, in welcher der Bischof von Ierissos und dem Heiligen Berg, Jakovos, den Tomos unterzeichnete: "Der geringe Bischof von Ierissos und dem Heiligen Berg, Jakovos, auferzogen in den Überlieferungen des Heiligen Bergs und der Heiligen Väter und bezeugend, dass mit den auserwählten Hagioriten, die hier unterzeichnen, der ganze Heilige Berg zustimmend unterzeichnet, unterzeichnet ebenfalls zustimmend und setzt sein Siegel dazu. Und dies, indem ich zusammen mit allen beifüge: Wer nicht übereinstimmt mit den Heiligen, so wie wir und die uns um ein Weniges vorausgegangenen Väter, dessen Gemeinschaft nehmen wir nicht an." 3
 

In meiner bescheidenen Darlegung werde ich der beweisführenden Methode folgen.


1. Das Ungeschaffene Licht - Licht der Gottheit

Den Reichtum der Erfahrung und der Theologie des Ungeschaffenen Lichts verdanken wir den heiligen Mönchen. Deshalb werde ich im Folgenden heilige Mönche zu Wort kommen lassen, solche der alten Zeit und solche neuerer Zeiten, welche den Glauben der Kirche bezüglich des Ungeschaffenen Lichts mit Genauigkeit dargelegt haben. Daraus wird man ersehen können, dass die Erfahrung des Ungeschaffenen Lichts im Bereich des orthodoxen Mönchtums gelebt wird und dass die diesbezügliche Theologie hier formuliert worden ist.
 

Gott ist Licht, wie der heilige Johannes der Theologe sagt: "Und dies ist die Botschaft, die wir gehört haben von Ihm und euch verkünden, dass Gott Licht ist, und keinerlei Finsternis ist in Ihm" (1 Joh 1,5).
 

In seinem Kommentar zu diesem Passus schreibt der heilige Nikodemos vom Hl. Berg: "Licht mithin ist Gott, das wahre Licht, und im Vergleich zu Seinem Glanz sind die Sonne und alle anderen geschaffenen Lichter bloß Pseudo-Lichter. Gott ist Licht, schreibt auch Dionysios der Areopagit, und Er erfüllt mit noetischem Licht jeden überhimmlischen Geist.4 Er vertreibt jede Unwissenheit und Verblendung aus den Seelen jener, die Er mit Seinen Strahlen erleuchtet, und schenkt ihnen heiliges Licht.5 Geistiges Licht ist Gott, sagen Theophylaktos und Oekumenios, denn Er wendet die Augen der Seele zu Sich hin und die Augen des Geistes weg von allem Materiellen. Er zieht das Verlangen und Begehren des Menschen auf Sich Selbst, sodass dieser fortan nur noch Gott liebt mit glühender Sehnsucht." 6
 

Im Glaubensbekenntnis bekennen wir den Herrn Jesus Christus als "Licht vom Licht". Und in der Gottesanbetung bezeichnen wir den Dreieinigen Gott an vielen Stellen als Licht.
 

Wird in allen diesen Fällen das Licht in ethischem Sinn oder aber in ontologischem Sinn verstanden? Der heilige Maximos der Bekenner antwortet: "Seinem Wesen nach und in Wahrheit ist Gott Licht." Und: "Von Natur aus ist Gott Licht", sowie: "Nicht dieses und jenes Licht ist Er, sondern ein Einziges und Selbes Licht ist Er Seinem Wesen gemäß, Dreisonnig der Seinsweise gemäß".7
 

"Gott das überhelle Licht und Ursprung des Lichts", sagt der heilige Gregor Palamas,8 erschuf die vernunftbegabten Naturen, das heißt die Engel und die Menschen, mit der Fähigkeit, das göttliche Licht zu empfangen und zu schauen, ist doch "die vollkommenste Schau Gottes jene als Licht".9
 

Die göttlichen Engel, soweit sie nicht gefallen sind, stehen in ständiger Kommunion mit dem Dreisonnigen Licht, denn dies ist "die Nahrung der Geister, d.h. der Engel und der Gerechten" 10
Bevor Adam in Ungehorsam fiel, hatte er Anteil am göttlichen Glanz und Licht. Er trug dasselbe "wie ein Gewand der Herrlichkeit". Deshalb war er nicht wirklich nackt, "noch auch war er häßlich seiner Nacktheit wegen", sondern im Gegenteil weit prächtiger geschmückt als jene, die reich vergoldete und mit kostbaren Edelsteinen besetzte Diademe tragen.11
 

Doch dann folgt die Übertretung des Gebots und die Trennung von Gott, welche Trennung ist vom Leben Gottes und Seinem Licht. Nun ist die menschliche Natur nackt und häßlich. Finsternis hat die Seele umhüllt. Die Ersterschaffenen gewahren ihre Nacktheit und schämen sich.
 

Das Wiederaufstrahlen des göttlichen Lichts kündigte Gott bereits zur Zeit des Alten Bundes an, nämlich während der vierzigjährigen Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste.12
 

Die Heiligen Väter weisen oft auf Moses hin, der vierzig Tag und Nächte mit Gott sprach und die zweiten Tafeln mit den Zehn Geboten empfing, und "dessen Angesicht aus diesem göttlichen Zwiegespräch so großen Glanz empfing, dass die Söhne Israels ihn nicht anzuschauen vermochten. Deshalb war er genötigt, eine Hülle über sein Gesicht zu legen und jenes intensive Strahlen, jenen Glanz, der sich nach außen ergoß, gleichsam einzuschließen, und erst dann vermochten die Israeliten ihn anzuschauen. "Und die Söhne Israels sahen, dass das Antlitz Moses strahlte. Deshalb legte Moses eine Hülle über sein Gesicht" (Ex 34,35).13
 

Nach den heiligen Vätern ist der Glanz und das Strahlen des Mose nicht bloß von geringerer Intensität als die Herrlichkeit Christi bei der Transfiguration, sondern überhaupt nicht vergleichbar mit derselben.
 

Der heilige Ephrem der Syrer schreibt: "Christus zeigte, dass die Herrlichkeit Seiner Göttlichheit aus Seinem ganzen Leibe strömte, Sein Licht strahlte aus allen Seinen Gliedern. Denn Sein Fleisch empfing den Glanz und die Majestät nicht wie Moses von außen her, sondern aus Ihm Selbst strömte die Herrlichkeit Seiner Göttlichkeit." 14
 

Und der heilige Gregor Palamas sagt: " Seht ihr, dass auch Moses transfiguriert wurde, da er auf den Berg stieg, und die Herrlichkeit des Herrn schaute? Mit dem Unterschied jedoch, dass er diese Transfiguration nicht wirkte, sondern erlitt, gemäß dem Wort dessen, der sagte: 'Dahin nämlich, so scheint mir, will jenes begrenzte Leuchten der Wahrheit hienieden uns führen - den Glanz Gottes sowohl zu schauen als auch zu erleiden.'15 Unser Herr Jesus Christus jedoch besaß jenen Glanz von Natur aus." 16

Der heilige Nikodemos vom Hl. Berg kommentiert dies folgendermaßen: "Indem der Heilige sagt, dass Moses die Transfiguration nicht wirkte, sondern erlitt, zeigt deutlich, dass er von außen her, vom Licht des Angesichts des Herrn her transfiguriert wurde. Das heißt, er wurde verändert in seiner Seele und seinem Leib. Moses wurde erleuchtet vermittels der dunklen Wolke (s. Ex 34,5), Christus aber erleuchtete Selbst die dunkle Wolke, erzeigte Er sie doch auf dem Thabor als lichte Wolke. Derjenige, der mit Gott sprach, empfing aus diesem Zwiegespräch das Licht, Christus hingegen öffnete eine kleine Ader Seiner Ihm von Natur aus eigenen Lichtfülle und ließ etwas ausströmen davon, sodass der ganze Thabor aufstrahlte und die beiden Propheten sowie
die drei Apostel erleuchtete."

Christus erbarmte Sich der vom göttlichen Licht entblößten menschlichen Natur, nahm sie an und vereinte sie in Seiner eigenen Hypostase, in der Hypostase des Logos Gottes, mit Seiner göttlichen Natur.

Bei der göttlichen Transfiguration auf dem Thabor wurde offenbart, dass der Herr die menschliche Natur wiederum mit dem Gewand des göttlichen Lichts und der göttlichen Herrlichkeit bekleidet und sie vergöttlicht hat.

In seinem Kommentar zu einer Strophe des 1. Kanons zum Fest der Transfiguration (verfaßt vom heiligen Kosmas von Maiouma) schreibt der heilige Nikodemos: "Indem Christus auf dem Berg Thabor in der unzugänglichen Herrlichkeit der Gottheit erstrahlte, erleuchtete Er zwar die ganze Schöpfung, doch nur die Menschen vergöttlichte Er, denn ihre Natur allein ist fähig, die Vergöttlichung zu empfangen. So sind denn die Menschen vermittels der vom Herrn angenommenen und vergöttlichten menschlichen Natur der Gnade nach vergöttlicht worden, gemäß dem Wort: "Ich sagte: Götter seid ihr und Söhne des Allerhöchsten alle" (Ps 81,6).18

An anderer Stelle präzisiert der heilige Nikodemos: "Es sei darauf hingewiesen, dass die Jünger auf dem Berg das Ungeschaffene Licht der Göttlichkeit des Herrn nicht nur mit dem Geist sahen, der das Auge der Seele ist, sondern auch mit den sinnlichen Augen des Leibes. Doch wie sahen sie es? Indem sie innerhalb der Grenzen ihrer natürlichen Kraft verblieben? Gewiß nicht, sondern indem die verändert wurden zum Höheren und Göttlicheren und Kraft empfingen von der Kraft jenes Lichts. Denn geschaffene und sinnliche Augen sind unfähig, das die Sinne und das Denken übersteigende Licht zu fassen. Gestärkt mithin und gekräftigt durch jenes Licht und über die Grenzen ihrer eigenen Natur hinausgehoben, vermochten die sinnlichen Augen der Apostel jenes übernatürliche und ungeschaffene und vom göttlichen Wesen ungetrennte Licht zu sehen, gemäß der gemeinsamen Ansicht der heiligen Theologen." 19

Bekanntlich betonen sowohl die heiligen Hymnen unserer Kirche als auch die heiligen Väter, dass das auf dem Thabor aufstrahlende Licht nicht das Wesen Gottes ist, noch auch ein geschaffenes Licht oder irgendeine Lichterscheinung, sondern das Ungeschaffene Licht Gottes -ungeschaffene, göttliche und vergöttlichende Energie.

Der hl. Nikodemos schreibt: "Das Licht, das die Apostel auf dem Berg Thabor sahen, ist wohl ungeschaffen und ohne Anfang in der Zeit, dennoch ist es nach den heiligen Theologen nicht das Wesen und die Natur Gottes. Deshalb sagte der gottragende Maximos (der Bekenner) in seinen Betrachtungen über die Transfiguration: 'Das Licht des Antlitzes des Herrn, das die Energie der menschlichen Sinne besiegte, zeigte den seligen Aposteln die Art und Weise der apophatischen mystischen Theologie, derzufolge die allselige Gottheit in ihrem Wesen absolut unaussprechlich und unerkennbar ist, unendlich erhaben selbst über das Nichterkennen, und in denjenigen, die bei Ihr sind, nicht die geringste Spur des Begreifens hinterläßt, wie subtil auch immer.' Und Gregor der Theologe sagt: 'Die Gottheit an Sich ist unsichtbar' (Brief an Kledonios). Und mit 'Gottheit' meint er hier das göttliche Wesen, aus dem als wesenhafte und ungeschaffene Energie das sichtbare Licht der Transfiguration des Herrn kam. Obwohl mithin jenes Licht nicht das Wesen Gottes ist, ist es doch immerdar untrennbar vom Wesen Gottes, gemäß den heiligen Theologen, denn es gab keine Zeit, wo es nicht es nicht bei diesem war, ist es doch ebenso wie es selbst ohne Anfang in der Zeit und ohne Ende."20

Die Ungeschaffenheit der göttlichen Gnade, der göttlichen Energie, des göttlichen Lichts, ist die unabdingbare Voraussetzung für die Möglichkeit der Vergöttlichung des Menschen.

Der aus dem Westen stammende Barlaam bekämpfte die Erfahrung der Hagioriten in bezug auf das Schauen des Ungeschaffenen Lichts mit ungestümer Heftigkeit, weil er die Unterschei¬dung zwischen göttlichem Wesen und göttlicher Energie nicht akzeptierte.

Doch der heilige Gregor Palamas, auch er ein Hagiorit, nahm entschlossen die Verteidigung auf, denn ein allfälliger Sieg der rationalistischen Auffassung Barlaams von der geschaffenen Energie würde nicht weniger bedeutet haben als die Leugnung der Möglichkeit der Vergöttli¬chung des Menschen.

Mit dem Hagioritischen Tomos von 1340, den die gebildeteren unter den Mönchen des Heiligen Bergs unterzeichneten, stellte sich der Heilige Berg hinter die Lehre des heiligen Gregor Palamas. Das gleiche tat die Kirche mit den Konzilen von Konstantinopel der Jahre 1341, 1347 und 1351, durch die sie den heiligen Gregor als zuverlässigen Lehrer der Kirche und seine Lehre als Lehre der Orthodoxen Kirche verkündete. Diejenigen, die diese Lehre nicht akzeptieren und die Ungeschaffenheit der göttlichen Gnade nicht anerkennen, wurden von diesen Konzilen sogar dem Anathema unterworfen, wie dies auch aus dem "Synodikon der Orthodoxie" hervorgeht.21 An jenen Konzilen nahmen auch hervorragende Mönche als Vorkämpfer teil.

Es sei erwähnt, dass das westliche Christentum (Papisten und Protestanten) die Ungeschaf-fenheit der göttlichen Gnade bis heute nicht anerkennt, sondern dieselbe als geschaffen betrachtet. Doch eine geschaffene Gnade vermag den Menschen nicht zu vergöttlichen. Deshalb reden die Westlichen nicht von Vergöttlichung, sondern bloß von moralischer Vervollkommnung des Menschen.

Wir halten dafür, dass diese ernste Differenz hinzugefügt werden muß zu den grundlegenden Unterschieden zwischen Orthodoxie einerseits und Römisch-Katholischen sowie Protestanten andrerseits.


2. Die Auswirkungen der Erleuchtung durch das göttliche Licht
 

Der vom ungeschaffenen göttlichen Licht erleuchtete Mensch empfängt viele göttliche und übernatürliche Gaben. Die Auswirkungen der Erleuchtung durch dieses Licht sind nicht bloß ethischer, sondern in erster Linie ontologischer Natur. Die Gegenwart des göttlichen Lichts ist die Quelle von geistigen Gnadengaben, die über der Natur sind.

Das Ungeschaffene Licht wird von den heiligen Vätern als enhypostatisches Licht charakterisiert, denn es ist nicht ein Licht, das kommt und geht wie die geistigen Einsichten, sondern es bleibt und erleuchtet die Seele ununterbrochen. Der heilige Makarios der Ägypter sagt hierüber: "Dieses Strahlen des Heiligen Geistes ist nicht bloß wie eine Offenbarung von Einsichten, eine Erleuchtung durch die Gnade, wie schon gesagt, sondern ein beständiges und unaufhörliches Strahlen des hypostatischen Lichts in den Seelen." 22

Der heilige Niketas Stethatos schreibt, dass die Gegenwart des göttlichen Lichts die Kräfte der Seele befriedet, die Seele von der Zerstreuung in die Außenwelt zurückholt zum göttlichen Licht, sie vollkommen macht durch Vereinigung mit ihm, zum Eingeweihten der Gottesschau und zur Wohnstatt der Allheiligen Dreiheit.23

Nach dem heiligen Makarios dem Ägypter wird die Seele durch das Strahlen des göttlichen Lichts von der geistigen Finsternis befreit, die sie seit dem Sturz Adams überdeckt: "Der Apostel Paulus zeigte mit aller Deutlichkeit, dass eine Hülle der Finsternis über die Seele gelegt worden war (2 Kor 3,12-16), welche sich seit der Übertretung Adams über das ganze Menschengeschlecht ausgebreitet hatte. Jetzt aber wird sie, wie wir glauben, durch das Strahlen des Heiligen Geistes weggenommen von den Seelen, die wirklich gläubig und würdig sind." 24

Altvater Sophrony sagt, dass der Mensch durch die Teilhabe am göttlichen Licht und durch dessen Strahlen "einer tiefen Wahrnehmung des Lebendigen Gottes in seinem Herzen und seinem Geist" gewürdigt wird. Er empfängt die "Offenbarung der Göttlichkeit des Herrn Jesus Christus" und "die Erfahrung der Auferstehung als Vorgeschmack der künftigen Seligkeit", kommuniziert mit Gott "von Angesicht zu Angesicht", übt sich in den Tugenden und erwirbt die Gnadengaben des Heiligen Geistes: "Dieses heilige Licht, wenn es mit Kraft erscheint, bringt die demütige Liebe. Es vertreibt jeden Zweifel und jede Angst und läßt alle irdischen Bindungen weit hinter sich".25

Und Abba Philemon sagt: "Derjenige, der des heiligen Lichts teilhaftig und von der Gottesliebe verwundet worden ist, erfreut sich des Herrn mit einer geistigen und unbegreiflichen
Freude." 26

Nach dem Zeugnis des heiligen Maximos des Hüttenverbrenners gegenüber dem heiligen Gregor dem Sinaiten werden auch die Früchte des Heiligen Geistes, von denen der Apostel Paulus spricht (Gal 5,22), durch jenes Licht erlangt: "Und danach, wenn der Geist des Menschen von jenem göttlichen Licht entrückt und mit göttlicher Erkenntnis erleuchtet wird, wird sein Herz still und zur Gänze sanft und läßt die Früchte des Heiligen Geistes hervorspriessen - die Freude, den Frieden, die Nachsicht, die Güte, das Mitgefühl, die Liebe, die Demut und das übrige." 27

Wie der heilige Diadochos von Photike betont, kann die vollkommene Liebe nur erlangt werden durch die Teilhabe am göttlichen Licht. "Denn wenn der Geist 28 nicht durch das göttliche Licht die vollkommene Gottebenbildlichkeit erlangt, vermag er zwar die anderen Tugenden zu erlangen, an der vollkommenen Liebe aber hat er noch keinen Anteil." 29

Durch jenes Licht allein, betonen auch die heiligen Kallistos und Ignatios Xanthopouli, werden die übernatürlichen Gnadengaben der Vollkommenen erlangt: "Und so leuchten in jenen (die zu 'Söhnen des Lichts' geworden sind) wie aus einer Sonne die Charismen der Prüfung der Seelen, der Unterscheidung, der Hellsichtigkeit, der Prophetie und anderes dieser Art auf. Kurz gesagt, sie werden erleuchtet durch jede Kundgebung und Offenbarung der unsichtbaren Mysterien, und werden im Geist von übernatürlicher und göttlicher Kraft erfüllt. Durch diese übernatürliche Kraft wird auch ihr irdischer Leib leichter, genauer gesagt, die Grobheit des Fleisches verfeinert sich, seine Schwere verringert sich, sodass er sich in die Höhen erhebt. Durch diese erleuchtende Kraft, die der Heilige Geist verleiht, schritten einige der Heiligen Väter, während sie noch im Fleische lebten, wie Immaterielle und Körperlose trockenen Fußes über reißende Ströme und weite Meere, legten Strecken von mehreren Tagesmärschen in einem einzigen Augenblick zurück und wirkten mancherlei andere Wunder an Himmel und Erde, an der Sonne, zur See, in Wüsten und Städten, an jedem Ort und in jedem Land, an Tieren und Gewürm, kurz, an der ganzen Schöpfung und allen Elementen der Natur, und wurden durch all das verherrlicht. Und wenn sie im Gebet dastanden, erhoben sich ihre geheiligten und kostbaren Leiber von der Erde in die Luft, so als hätten sie Flügel, denn das immaterielle und verzehrende göttliche Feuer der Gnade verbrannte nicht nur die Dichte, sondern auch die Schwere des Fleisches zu Asche. So stiegen sie - o Wunder! - gleichsam schwerelos in die Höhe, verwandelt und umgeschmiedet zu einer höheren, göttlicheren Lebensart durch die schöpferische Hand der in ihnen wohnenden Macht und Gnade Gottes. Und nach ihrem Hingang blieben die ehrwürdigen Leiber mancher von ihnen unversehrt, zum Zeugnis der Gnade und Kraft, die in ihnen und in allen unerschütterlich Glaubenden wohnt." 30

Im göttlichen Licht, schreibt Altvater Sophronios, wobei er dem heiligen Gregor Palamas und den anderen Vätern folgt, wird der Mensch irgendwie anfanglos: "Als anfanglose Energie Gottes kommt dieses Licht in uns durch Seine Kraft, und so werden wir anfanglos, nicht unserer Natur nach, gewiß, doch der Gnade nach, denn das Leben ohne Anfang wird uns wirklich mitgeteilt."31

Der heilige Gregor Palamas sagt: "Im künftigen Äon werden alle Gerechten einander erkennen im selben Ungeschaffenen Licht der Gottheit, selbst wenn sie sich im Leibe nie begegnet sind." 32


3. Erfahrungen des Schauens des Ungeschaffenen Lichts
 
Ιm Lauf der Jahrhunderte erfuhren viele Mönche die Vergöttlichung und wurden des Schauens des Ungeschaffenen Lichts gewürdigt. Doch nur wenige von ihnen sprachen darüber.

Der heilige Symeon der Neue Theologe empfing oftmals den Besuch des Ungeschaffenen Lichts, besonders während der Göttlichen Liturgie, die er jeden Tag zelebrierte. Darüber schreibt der heilige Nikodemos vom Hl. Berg: "Denn ihm schickte Gott zur Behütung nicht Engel und Cherubim, welche 'dienende Geister sind, entsandt zur Diakonie an denen, die das Heil erben sollen', wie der selige Paulus sagt (Hebr 1,14), sondern Sein Lebenspendender und Allheiliger Geist Selbst, von Natur aus Gott und Gebieter der Engel und der Menschen, schützte ihn unmittelbar und behütete ihn durch Seine lichtbringende Gnade allezeit, besonders aber dann, wenn der Heilige als Priester im Allerheiligsten stand und Gott die mystische und unblutige Hierurgie darbrachte. Denn jene lichte Wolke, die ihn zu jener Zeit überdeckte und ihn von allen Seiten umgab, wie sein Leben berichtet, war die allmächtige und lichtspendende Gnade des Allheiligen und Lebenspendenden Geistes. Und von dieser wurde der Heilige erleuchtet in der Seele und im Leib, im Geist und im Herzen, sodass sein göttliches und heiliges Angesicht strahlte und leuchtete wie eine zweite Sonne. Deshalb auch vermochte niemand ihn länger als einen kurzen Augenblick anzuschauen, geradesowenig wie man die Sonne anschauen kann. O Herrlichkeiten! O Erhabenheiten! O übernatürliche und himmlische Gnadengaben des heiligen Symeon, vor denen jeder Menschenverstand versagt und jede Zunge verstummt." 33

Doch auch der heilige Gregor Palamas spricht aus seiner persönlichen Erfahrung über das Ungeschaffene Licht, jedoch ohne zu enthüllen, dass er selbst ein Gottseher war. "Als Licht sieht ein solcher mit aller Gewißheit jenes Höchstgeliebte, Das den Geist entrückt, ihn hinaushebt über alle Dinge und ihn zur Gänze hinwendet zu Sich Selbst. Es ist ein offenbarendes Licht, doch es offenbart nicht sinnliche Körper. Er sieht, dass es kein Ende hat, weder nach unten, noch nach oben, noch nach den Seiten. Er gewahrt keinerlei Ende jenes Lichts, das er sieht und das ihn umstrahlt, sondern es ist wie eine Sonne, die unendlich heller ist als die natürliche Sonne und unendlich größer als das Universum, und in der Mitte findet er sich selbst, ganz Auge geworden. Etwas von dieser Art ist jene Entrückung."34

Charakteristisch ist auch die Art, wie Vr. Sophrony Sacharov, ein heiliger Altvater unserer Zeit, seine Erfahrung des Schauens des Göttlichen Lichts zum Ausdruck bringt. Er schreibt:


"Die Wirkung jenes Lichts, von dem ich rede, auf den Geist des Menschen zeugt von Seiner Göttlichkeit. Es ist ungeschaffen, unnennbar, unzugänglich. Es ist geheimnisvoll, immateriell, unergründlich. Ich bin ratlos. Wie denken und reden über jenes Licht?

"Seiner Natur nach ist jenes Licht nicht von dieser Welt. Seine Herabkunft auf uns ist nichts anderes als Gottes Selbstkundgebung an den Menschen: die Offenbarung himmlischer Mysterien. Bei der Transfiguration auf dem Berg Thabor wurde die Gotteserkenntnis auf ihr Fundament gesetzt durch das Geschenk jenes Lichts. Vom Augenblick der Erleuchtung der Apostel durch dasselbe auf dem Thabor ist dieses Licht in die Geschichte der Welt eingetreten und zum "unveräußerlichen Erbe" der nachfolgenden Generationen der an Christus als Gott Glaubenden geworden. Ohne jenes Licht wäre die Erde der wahren Erkenntnis Gottes bar geblieben. Auf Grund meiner persönlichen Erfahrung jenes Lichts habe ich mir erlaubt, dieses Licht als 'Licht der Auferstehung' zu bezeichnen, denn sein Kommen führt den Geist des Menschen in die Sphäre, wo es den Tod nicht gibt.

"Ohne die Erleuchtung durch jenes Licht kann das Mysterium der Heilswege nicht in rechter Weise verstanden werden. Die Welt, die Menschen müßten in der Finsternis der Unwissenheit verharren. Die abstrakte theologische Bildung, wie subtil sie auch sei, vermag nicht zu retten, denn sie vermittelt nur intellektuelles Wissen und führt nicht in Wirklichkeit empor in den Bereich des Göttlichen Seins.

"Zuweilen ist jenes Licht vergleichbar mit einer Wolke, die den Gipfel eines Bergs verhüllt, auf dem wir stehen. Die Wolke an sich ist voller Licht, wir aber sehen nichts außer der Wolke. Die ganze übrige Welt ist unsichtbar. In ähnlicher Weise offenbart uns das göttliche Licht eine neue Art geistigen Seins und entzieht unseren Augen den Anblick der materiellen Welt. Dieses Licht ist gleichförmig, makellos, erfüllt von tiefem Frieden. In ihm schaut die Seele die Liebe und die Gutheit Gottes. Wenn dieses Licht in Fülle ausgegossen wird über den Menschen, hört dieser auf, die Materialität seiner Umwelt und sogar jene seines eigenen Körpers wahrzunehmen. Mehr noch - er sieht sich selbst als Licht. Jenes Licht kommt auf sanfte, zarte Weise, sodass wir nicht gewahren, wie es gekommen ist und uns umgeben hat. Die Welt wird "vergessen", doch meist nicht plötzlich, sondern unmerklich. Das Phänomen gleicht dem sanften Einschlummern eines gesunden Menschen. Doch selbstverständlich handelt es sich hier nicht um Schlaf, sondern um Fülle des Lebens." 35

4. Unterscheidung des Ungeschaffenen Lichts von anderen Lichtern
 
Die gottsehenden Väter präzisieren, dass nicht jedes Licht, das geschaut wird, das Ungeschaffene Licht ist. Es gibt auch andere Lichter, die nicht verwechselt werden dürfen mit diesem. So gibt es das Licht des Geistes 36 und das dämonische Licht.

Über diese Lichter schreibt Altvater Sophrony: "Ich wurde auch versucht von Lichterscheinungen, die von den bösen Geistern stammten. Doch als ich in reifem Alter zurückkehrte zu Christus als dem vollkommenen Gott, umstrahlte mich das anfanglose Licht. In welchem Maß auch immer mir gegeben wurde, es zu schauen, durch das Wohlwollen von Oben - dieses wunderbare Licht brachte alle anderen Lichter zum Verschwinden, so wie die aufgehende Sonne selbst die hellsten Sterne unsichtbar werden läßt." 37

Die Unterscheidung der Lichter ist besonders nötig in unseren Tagen, wo verschiedene "Spiritualitäten" vor allem östlicher Herkunft "geistige" Erfahrungen anpreisen, die, wenn sie nicht dämonisch sind, bloß dem Intellekt entspringen und das Ergebnis anthropozentrischer Übungen sind. Der zeitgenössische Mensch, eingeschlossen und gequält im Gefängnis des Rationalismus und Determinismus, ohne Kenntnis des Ungeschaffenen Lichts Christi, das er auf Grund seiner Autarkie auch gar nicht kennenzulernen wünscht, gibt sich solchen Dingen hin, um irgendeinen Ausweg zu finden aus seiner geistigen Sackgasse.

Man könnte sagen, dass in den östlichen Spiritualitäten der Mensch Zwiegespräche führt mit sich selbst, Selbstgespräche. In der orthodoxen Askese dagegen tritt der Mensch in sein Inneres ein, um dort Gott zu begegnen, mit Ihm Zwiesprache zu halten und vereint zu werden mit Ihm.


5. Voraussetzungen des Schauens des Ungeschaffenen Lichts


Νach dem heiligen Basilios dem Großen bewirkt die Reinigung von den Leidenschaften, "dass unsere Seele zur Ruhe kommt und, von keinerlei Leidenschaft mehr aufgewühlt, wie ein reiner Spiegel wird, sodass nichts mehr Gottes Aufstrahlen darin verdunkeln kann."38 Denn "sowenig wie ein beschmutzter Spiegel fähig ist, die Linien der Bilder aufzuneh¬men, sowenig auch vermag eine Seele, die fixiert ist auf die Dinge dieses Daseins und verdunkelt von der fleischlichen Gesinnung, das Strahlen des Heiligen Geistes zu empfangen." 39

Und der heilige Isaak schreibt: "Der Mensch ist nicht imstand, die Schönheit zu schauen, die in seinem Innern ist, solange er nicht jede Schönheit außerhalb seiner selbst verachtet und verabscheut." Weiter: "Wer die Besonnenheit und die demütige Gesinnung erlangt, die Dreistigkeit verabscheut und den Zorn aus seinem Herzen verbannt hat, der wird, so glaube ich, wenn er aufsteht zum Gebet, in seiner Seele das Licht des Heiligen Geistes schauen und sich freuen am hellen Strahlen dieses Lichts und frohlocken im Schauen der Herrlichkeit seiner Seele und ihrer Umgestaltung zu Seinem Ebenbild."40

Nach dem heiligen Nikodemos vom Hl. Berg "erleuchtet uns der lichtspendende Jesus im Maß der Reinheit unserer Herzen. Denn geradeso wie das sinnliche Licht jenen leuchtet, deren leibliche Augen rein und gesund sind, so auch erleuchtet das immaterielle und ungeschaffene Licht der überwesentlichen Gottheit diejenigen, deren Geist rein und deren Herz geläutert ist. Wer mit dem göttlichen Licht vereint werden will, muß zuerst selbst Licht werden, durch das Üben der Tugenden." 41

Gemäß dem heiligen Symeon dem Neuen Theologen sind die Voraussetzungen für das Aufstrahlen des göttlichen Lichts die geistige Nüchternheit,42 die Metanie 43 und der Selbsttadel, "Halte den Geist allezeit zu Gott hingewandt, sei es im Schlaf, sei es im Wachen, beim Essen und beim Reden, bei der Handarbeit und jeder anderen Tätigkeit, gemäß dem Prophetenwort: 'Ich sah den Herrn allezeit vor mir' (Ps 15,8). Betrachte dich selbst als den sündigsten aller Menschen.

Denn wenn man über lange Zeit hinweg in diesem Gedanken verharrt, folgt meist im Geist44 ein Aufleuchten wie von einem Strahl. Und je mehr du dieses Leuchten suchst unter großer Achtsamkeit und ohne Ablenkung des Denkens, mit viel Mühe und Tränen, umso heller wird es sich zeigen. Und indem es sich zeigt, wird es geliebt. Und indem es geliebt wird, reinigt es. Und indem es reinigt, macht es den Menschen Gott ähnlich, erleuchtet ihn und lehrt ihn, das Gute vom Schlechten zu unterscheiden. ... Doch viel Mühe ist nötig, Bruder, zusammen mit der Hilfe Gottes, damit dieses Leuchten zur Gänze Wohnung nimmt in deiner Seele und sie völlig erhellt, so wie der Mond die Finsternis der Nacht. Auch ist sorgfältig zu achten auf die Angriffe der Gedanken der Ruhmsucht und der Überheblichkeit, sowie darauf, nicht zu richten, wenn du jemanden siehst, der Ungehöriges tut." 45

Die grundlegende Voraussetzung für die Vergöttlichung und die Gottesschau ist das ununterbrochene innere Gebet des Herzens. Abba Isaak schreibt hierüber: "Wer den Herrn sehen will, bemühe sich darum, das Herz zu reinigen durch das ununterbrochene Gottgedenken. So wird er, im strahlenden Glanz seines Geistes,46 jeden Augenblick den Herrn schauen." 47

In seiner berühmten Homilie zum Einzug der Gottesmutter in den Tempel 48 sagt der hl. Gregor Palamas: "Die Allreine Jungfrau tat die irdischen Bindungen gleich ab Anfang ihres Lebens von sich und zog sich zurück von den Menschen. Sie mied das sündige Leben und wählte das einsame, allen unsichtbare Leben im Allerheiligsten. Und dort, gelöst von jeder Bindung an materielle Dinge, entledigt jeder Beziehung und sogar des Wohlwollens gegenüber dem eigenen Leib, sammelte sie ihren Geist durch die Hinwendung zu sich selbst, durch die Achtsamkeit und das ununterbrochene göttliche Gebet. Nachdem sie durch dasselbe zur Gänze zu sich selbst gekommen war und sich erhoben hatte über das vielgestaltige Durcheinander der Gedanken und über jegliche Form überhaupt, entdeckte sie einen neuen und unbeschreiblichen Weg in die Himmel - den Weg, wenn ich so sagen darf, des noetischen Schweigens.

"Indem sie in diesem Schweigen den Geist betrachtete, schwang sie sich empor über alles Geschaffene und sah deutlicher als Moses (Ex 33,18ff) die Herrlichkeit Gottes und schaute die göttliche Gnade, was schiere Unmöglichkeit ist für die Sinne, doch beseligende und heilige Vision unbefleckter Seelen und Geistwesen." 49

So ist es denn die Gottesmutter, die das hesychastische Gebet eingeführt hat in der Welt. Es ist das Gebet, bei dem der Geist ohne Ablenkung durch irgendwelche Gedanken in das Herz eintritt und dort durch das Gebet mit Christus vereint und des Schauens des göttlichen Lichts gewürdigt wird.

Da jedoch bei denen, die um das hesychastische Gebet ringen, die Gefahr der Verblendung besteht, empfehlen die heiligen Väter die gehorsame Unterordnung unter einen erfahrenen Altvater, der auf Grund seiner persönlichen Erfahrung den kämpfenden Mönch sicher führen kann auf dem Weg dieses Gebets.

Hierüber schreibt Vr. Sophrony: "Das Erscheinen mit Kraft des göttlichen Lichts übersteigt unsere gefallene Natur in solchem Maß, dass keiner der an Christus Glaubenden sich in diesen Dingen auf sich selbst verlassen darf, ohne in bezug auf das von ihm Erfahrene das unentbehrliche Zeugnis sei es der Heiligen Schriften, sei es der Werke der Heiligen Väter zu suchen. Aber selbst die Schriften reichen nicht aus zur endgültigen Beurteilung, wird doch das Wort Gottes von fast jedem wieder anders verstanden. Deshalb ist es unerläßlich, dass wir eine Bestätigung einholen von seiten einer anderen Person, von jemandem, der denselben Glauben teilt wie wir und der vor uns gewürdigt worden ist, den göttlichen Besuch zu empfangen. So bedürfen wir denn dieser drei Zeugnisse: 1. der Heiligen Schriften des Neuen Testaments, 2. der Werke der heiligen Asketen unserer Kirche und 3. des "lebendigen" Zeugen.

"Sofern sich letzterer nicht finden läßt, entspricht es der gerechten Seele, mit lauter Stimme zu Gott zu rufen: "Verschone mich! Laß nicht zu, dass ich an Leib und Seele Verderbter herausfalle aus Deiner Wahrheit und einem anderen, fremden Wege folge!" "Verführe mich nicht mit dem Köder schmeichelnder Worte." Solche Worte legt die Hymnographie der Kirche in den Mund der Allheiligen Jungfrau, in dem Augenblick, wo ihr der Erzengel Gabriel die jungfräu¬liche Empfängnis und Geburt des Sohnes Gottes verkündete."50


6. Andere Erfahrungen der Ungeschaffenen Gnade Gottes

Gemäß dem, was uns die heiligen gottsehenden Väter überliefert haben, ist die höchste und Gf vollkommenste Erfahrung der Gnade Gottes das Schauen des Ungeschaffenen Lichts.

Nach dem heiligen Nikodemos vom Hl. Berg ist das Schauen des göttlichen Lichts und der göttlichen Schönheit die süßeste und meistgeliebte aller Gaben Gottes, die in der Seele glühende Sehnsucht nach Gott, göttlichen Eros entfacht.

Zum Trost für uns, die wir das Ungeschaffene Licht nicht schauen, lehren uns die heiligen Väter, dass der menschenliebende Herr die gläubigen Seelen zu anderen Erfahrungen Seiner Ungeschaffenen Gnade ruft.

So schreibt der heilige Gregor der Sinait: "Von einigen wird sie geschaut als aufgehendes Licht. In anderen zeigt sie sich als Jubel mit Zittern. In noch anderen als Freude. In weiteren als Freude vermischt mit Furcht. In weiteren als Zittern und Freude zugleich. Ferner gibt es solche, in denen sie gleichzeitig Tränen und Furcht hervorruft. Einerseits freut sich die Seele über den Besuch und das Erbarmen Gottes, andrerseits aber fürchtet sie sich und zittert vor Seiner Gegenwart, weil sie viele Sünden auf dem Gewissen hat. In wieder anderen bewirkt sie am Anfang unaussprechliche Zerknirschung und unsäglichen Schmerz in der Seele, sodass diese ist wie die Gebärende in ihren Wehen, wie die Schrift sagt (Is 26,17). Denn das lebendige und wirkende Wort Gottes, das heißt Jesus, dringt ein bis in die Tiefe, bis zur Trennung von Seele und Leib, von Mark und Bein, sagt der Apostel (Hebr 4,12), um das Kranke mit Gewalt aus allen Teilen der Seele und des Leibes zu entfernen. In anderen wiederum zeigt sie sich als Liebe und unverbrüchlichen Frieden mit allen. In noch anderen als ein Frohlocken, das die Väter oftmals als Freudensprung bezeichnet haben, und dies ist eine Kraft des Geistes, die Bewegung des lebendi¬gen Herzens. Es wird auch Pulsschlag genannt und unaussprechliches Seufzen des Geistes zur Fürbitte für uns bei Gott (s. Röm 8,26). Isaiah hat es als Meereswoge der Gerechtigkeit Gottes bezeichnet (Is 48,18), der große Ephrem als Stich, während der Herr Selbst es Wasserquelle nennt - mit dem Wasser meint Er den Geist -, die aufsprudelt zu ewigem Leben (Joh 4,14), entspringend aus dem Herzen und brodelnd wegen der gewaltigen Kraft."51

Doch keiner darf Mönch werden mit dem Beweggrund, Erfahrungen der göttlichen Gnade zu erlangen. Der heilige Diadochos von Photike sagt: "Nicht mit einer solchen Hoffnung auf Visio¬nen soll man mithin das asketische Leben führen, damit nicht der Satan die Seele bereit finde, sich von ihm auf Abwege führen zu lassen. Sondern dies allein sei unser Ziel - dass wir dahin gelangen, Gott zu lieben in aller Gewißheit und Empfindung des Herzens, das heißt mit ganzer Seele und mit ganzem Herzen und mit all unserem Denken (Mt 22,37). Denn derjenige, der von der Gnade bewegt dahin gelangt, zieht aus aus dieser Welt, selbst wenn er in der Welt lebt." 52

So wie wir nicht nach Erfahrungen der Gottesschau streben sollen, bevor wir unsere Metanie vollzogen und uns von den Leidenschaften gereinigt haben, sollten wir vielleicht auch nicht darüber reden, besonders von der Vergöttlichung als Ziel unseres Daseins?

Die Antwort auf diese Frage gibt uns der heilige Gregor Palamas: "Wer nicht an dieses große Mysterium der neuen Gnade glaubt, noch auch die Hoffnung auf Vergöttlichung im Auge hat, wird weder die Fleischeslust noch das Geld, Besitztümer und den Ruhm der Menschen verachten können. Und selbst wenn er es vermöchte, wäre es auch nur für kurze Zeit, wird ihm der Hoch¬mut folgen, und er meint, das Vollkommene erlangt zu haben. Und so fällt er durch den Hochmut unter die Unreinen. Jener hingegen, der die Vergöttlichung im Auge hat, wird selbst dann, wenn er alles Gute vollbringt, nicht auf den Gedanken verfallen, er habe etwas erreicht, denn er hat vor sich die unendliche Vollkommenheit, die jede Vollkommenheit übertrifft, und so nimmt er zu an Demut. Indem er einerseits die Vortrefflichkeit der ihm vorausgegangenen Heiligen bedenkt und andererseits das Übermaß der Menschenliebe Gottes, trauert er und ruft mit Isaiah: "Wehe mir, denn unrein bin ich und unrein sind meine Lippen, und meine Augen haben den Herrn Sabaoth geschaut" (Is 6,5). Diese Trauer fügt bei zur Reinheit seiner Seele, sodass der Herr der Gnade ihr aus der Höhe Tröstung gewährt und Erleuchtung." 53


Epilog

Aus all den Erfahrungen der Heiligen, die hier vorgetragen worden sind, ist, glaube ich, A deutlich geworden, wie eng die Beziehung ist zwischen Mönchtum und Schauen des Ungeschaffenen Lichts.

Dies ist keineswegs seltsam, denn hauptsächlich im Bereich des Mönchtums sind die wohlduftenden Blumen der Wüste erblüht.

Seltsam wäre eher das Gegenteil, wenn sie nicht im Bereich des Mönchtums erblüht wären, ist doch dieser Bereich jener der fortwährenden Metanie, der geistigen Nüchternheit, der Reinigung von den Leidenschaften, des ununterbrochenen Gebets, des Erwerbs der evangelischen Tugenden, des Auszugs aus der Welt und Einzugs zum Herrn.

Überlassen wir das Schlußwort dem heiligen Isaak dem Syrer:
"Den Mönch, der mit Unterscheidung des Geistes in der Nachtwache verharrt, betrachte nicht als einen, der noch mit Fleisch bekleidet ist. Denn sein Werk gehört in Wahrheit zur Ordnung der Engel. Unmöglich nämlich ist, dass jene, die ihr Leben ständig in dieser Weise führen, von Gott ohne große Gnadengaben gelassen werden, ihrer Nüchternheit wegen und des Wachens ihres Herzens und der ständigen Hinwendung ihres Denkens zu Ihm hin. Die Seele, die sich ständig in dieser Lebensweise des nächtlichen Wachens müht und auszeichnet, besitzt die Augen der Cherubim, die unablässig auf den überhimmlischen Anblick gerichtet sind und diesen schauen."54


1) Vortrag gehalten von Altvater Georgios, Higumen des Hl. Klosters Grigoriou (Athos) und Theologe, an der Pan-monastischen Zusammenkunft auf den Hl. Meteora (Thessalien) im September 2000, organisiert von der Hl. Synode der Kirche von Griechenland im Rahmen der Veranstaltungen zur 2000. Jährung der Geburt des Herrn. Griech. Originaltext mit dem Titel Μοναχισμός και Θέα του Ακτίστου Φωτός auf der Webseite www.alopsis.gr. Dt. Übers. Kloster des Hl. Johannes des Vorläufers, Chania 2010.
2) Hl. Gregor Palamas, Hagioritischer Tomos, Philokalie Bd. 4. Siehe dazu auch: Archimandrit Georgios, Ο Άγιος Γρηγόριος ο Παλαμάς διδάσκαλος της Θεώσεως ("Der hl. Gregor Palamas, Lehrer der Vergöttlichung"), hrsg. Hl. Kloster Grigoriou 2000, S. 54.
3) Hagioritischer Tomos, loc. cit.
4) Gr. νοῦς.

5) Hl. Dionysios der Areopagit, Über die göttlichen Namen, Kap. 4.
6) Hl. Nikodemos vom Hl. Berg, Ερμηνεία εις τας επτά καθολικάς επιστολάς ("Kommentar zu den Sieben Katholischen Briefen"), hrsg. Orthodoxos Kypselis, Thessaloniki 1986, S. 457.
7) Hl. Maximos d. Bekenner, Axopisg ("Schwierige Stellen"), 8. Gr. Urtext in EPE-Philokalia Bd. 14Δ', zitiert vom hl. Nikodemos in op. cit., S. 461.
8) In Hl. Gregor Palamas, ιερώς ησυχαζόντων ("Zur Verteidigung der heiligen Hesychasten") 1,3. Urtext in EPE Greg.Pal Bd. 2, S. 154. (Franz. Übers. von J. Meyendorff, Triades ou Defense des SaintsHesychastes, Loewen
1959/1973.)
9) Hl. Gregor Palamas, op. cit., S. 204.
10) Ebenda, S. 210.

11) Hl. Gregor Palamas, Homilie 16, Zum Großen Samstag, 39. Griech. Urtext EPE Greg Pal Bd. 9. Engl. Übers. in St. Gregory Palamas, The Homilies, Mt. Thabor Publishing, Waymart 2009.
12) Hl. Gregor Palamas,Υπέρ των ιερώς ... op. cit., S. 202.

13) Hl. Nikodemos v. Hl. Berg, Εορτοδρόμιον (Festzyklus), hrsg. Orthodoxos Kypseli, Thessaloniki 1987, Bd. 3, S.267.
14) Zitiert ebenda, S. 269.

15) Hl. Gregor der Theologe, Homilie 38, Zur Geburt des Herrn, Abs. 11. Urtext in EPE GregTheol Bd. 5.
16) Hl. Gregor Palamas, 1. Homilie zur Transfiguration, Abs. 11. Dt. Übers. in Vätertexte, www.prodromos-verlag.de
17) Hl. Nikodemos vom Hl. Berg, Εορτοδρόμιον, op. cit., S. 269.
18) Ebenda, S. 265.
19) Ebenda, S. 252.

20) Ebenda, S. 250-251.
21) Dt. Übersetzung des "Synodikons der Orthodoxie" in Vätertexte, www.prodromos-verlag.de
22) Hl. Makarios der Ägypter, 150 Kapitel, Kap. 138, Philokalie Bd. 3. Mit "hypostatischem Licht" ist das Licht in der Hypostase (Person) des Heiligen Geistes Selbst gemeint.
23) Niketas Stethatos, Dritte Zenturie, Über die geistige Erkenntnis, die Liebe und das Vollkommene Leben, Kap. 20ff, und Zweite Zenturie, Über die Läuterung des Geistes, Kap. 2, Philokalie Bd. 4.
24) Hl. Makarios d. Ägypter, 150Kapitel, Kap. 137-138, Philokalie Bd. 3.
25) Archimandrite Sophrony, VoirDieu tel qu'Il est, Ed. Cerf / Le sel de la terre, Paris/Pully 2004, Kap. 12, "De la Lumiere increee". Engl. We shallseeHim asHe is, hrsg. Holy Monastery of St. John the Bapist, Tolleshunt Knights/
Essex 1988.
26) Überaus nützliche Darlegung über Abba Philemon, in Philokalie Bd. 2.
27) Hl. Gregor der Sinait, Aus dem Leben des hl. Maximos des Hüttenverbrenners, Schlußparagraph, Philokalie, Bd.5.
28)Gr.νοῦς

29) Hl. Diadochos von Photike, Asketische Rede, Philokalie Bd. 1.
30) Hl. Kallistos und Ignatios Xanthopouloi, Über die rechte Art, in der Hesychia zu leben, Kap. 95, Philokalie Bd. 5.
31) Archimandrite Sophrony, VoirDieu..., op. cit., Kap. 12, S. 203.
32) Zitiert vom hl. Nikodemos vom Hl. Berg in 'Ep^^vsia s ig... op. cit. S. 370.
33) Hl. Nikodemos vom Hl. Berg, Λόγος εγκωμιαστικός εις τον εν αγίοις όσιον και θεφόρον πατέρα ημών Συμεών τον Νέον Θεολόγον ("Lobrede auf unseren gottgeweihten Vater unter den Heiligen, Symeon den Neuen Theologen") in: Ακολουθία και εγκώμιον του οσίου και θεφόρου Πατρός ημών Συμεών του Νέου Θεολόγου ("Gottesdienst u.Lob-preis unseres gottgeweihten und gotttragenden Vaters Symeon des Neuen Theologen"), Athen 1975, S. 107. Siehe auch: Symeon der Neue Theologe, 153 Praktische und Theologische Kapitel, Kap. 68, Philokalie Bd. 3 (in einigen Ausgaben Bd. 4).
34) Hl. Gregor Palamas, Υπέρ των ιερώς... op.cit., 1. Triade, 3. Kap., S. 196.

35) Archimandrite Sophrony, VoirDieu tel qu'Il est, op. cit., Kap. 12: "De la Lumiere increee", S. 36) 213-214. Gr. νοῦς
37) Ebenda, S. 187-188.

38) Hl. Basilios d. Große, ELgrovME' Ψαλμόν ("Zum 43. Psalm") in EPEMegBas Bd. 5.
39) Derselbe, Τοις κατά Νεοκαισάρειον λογιωτάτοις ("An die Gelehrten in Neocäsarea"), EPE MegBas Bd. 3.
40) Abba Isaak der Syrer, Ασκητικά ("Asketische Reden"), Rede 43, Abs.7 und 11. Griech. EPE-Philokalia Bde. 8A'-8Γ,
franz. Discours ascetiques, Ed. Monastere orthodoxe St Antoine le Grand, St-Laurent-en-Royans (Frankreich) 2006.
41) Hl. Nikodemos v. Hl. Berg, 'Eortodromion, op. cit., S. 255.
42) Gr. νήψις (Nepsis), das ständige Wachen über die Gedanken, sodass kein gottwidriger Gedanke das Herz und den Geist verunreinigt.
43) Gr. μετάνοια ("Sinneswandel"), der fortgesetzte Kampf um die Abwendung von der Sünde in allen ihren Formen und die gänzliche Hinwendung zu Gott.
44) Gr. διάνοια (hier synonym zu νους gebraucht).

45) Hl. Symeon der Neue Theologe, 153 praktische und theologische Kapitel, Kap. 140, Philokalie Bd. 3 (oder 4 in einigen Ausgaben).
46) Gr. διάνοια (s. Fußnote 44).
47) Zitiert von den hl. Kallistos und Ignatios Xanthopouloi in Über die rechte Art..., loc. cit., Kap. 52. Dt. Übers. in Vätertexte, www.prodromos-verlag.de
48) Hl. Gregor Palamas, Homilie 53, Zum Einzug der Gottesmutter, loc. cit., Abs. 59.
50) Archimandrite Sophrony, Voir Dieu... , op. cit. S. 206.

51) Hl. Gregor der Sinait, 10 Kapitel über die Hesychia und das Gebet, Kap. 4, Philokalie Bd. 4.
52) Hl. Diadochos von Photike, 100 praktische Kapitel, Kap. 40, Philokalie Bd. 1.
53) Hl. Gregor Palamas, Υπέρ των ιερώς... op.cit., 1. Triade, 3. Kap., .S.256
54) Abba Isaak d. Syrer, op. cit., Rede 29,1.




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