Byzantinische Diplomatie


Byzantinische Diplomatie

Αrtikel von www.impantokratoros.gr

Byzantinische Diplomatie Die konventionelle Definition von Diplomatie spricht von einem Mittel zur Verhandlung und Kompromissfindung, die der Überbrückung von Differenzen dienen soll. Gleichwohl wird diese Ansicht nicht selten von geschichtlichen Ereignissen widerlegt. Internationale Beziehungen bestehen auch aus Machtkämpfen verschiedener nationaler Interessen, bei denen sich die Diplomatie als äußerst nützliches Mittel erweisen kann. Ein Zitat von Clausevitz umformulierend könnte man sagen, dass die internationalen Beziehungen ein Krieg mit anderen Mitteln ist.

Kein Staat hat mehr zum Fortschritt der Außenpolitik beigetragen als das Byzantinische Reich (auch Romania genannt). Über 1100 Jahre lang konnte es überleben und expandieren, dank wohlüberlegter und geschickter Manipulation ihrer Gegner während komplizierter diplomatischer Verhandlungen. Jahrhunderte vor Machiavelli schrieb der Historiker Johannes Kinnamos bereits: „Da es viele verschiedene Mittel gibt, um sein Ziel zu erreichen, hängt der Sieg allein vom Grad des Einsatzes desjenigen ab, der es erreichen will“. Die Beschäftigung mit den taktischen Mitteln der byzantinischen Diplomatie könnte den heutigen Diplomaten dazu verhelfen, die Motive ihrer Verhandlungspartner besser zu verstehen.

Das Byzantinische Reich bzw. Romania stellte die Fortsetzung des Römischen Reiches dar. Konstantin der Große transferierte die Hauptstadt des Reiches um 330 n. Chr. an die Küste des Bosporus und änderte den früheren Namen Byzanz in Konstantinopel. Strategisch gesehen befand sich die Polis (Konstantinopel) auf dem Kreuzweg von Ost und West, aber auch an der Meer-Achse zwischen dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeer. Die fortlaufenden Raubzüge der Barbaren führten zu einer Einschränkung der autokratischen Macht (des Reiches) im Westen und der ausschließlichen Ausübung dieser durch den römischen Kaiser in Konstantinopel. 

Zur gleichen Zeit fielen in Wellen viele verschiedene barbarische Völker in den Corpus des Reiches ein: Hunnen, Goten, Perser, Slaven, Araber, Bulgaren, Normannen u.a.. Alle versuchten sie, das Reich zu zerstören, doch konnten erfolgreich abgewehrt werden. Mit einer militärischen Streitkraft, welche die Zahl von 140000 Männern nie übertraf, bedienten sich die Byzantiner aktiv der Außenpolitik, um ihren Einfluss in Zentraleuropa, Italien und Westeuropa nicht zu verlieren und das Erbe von Romania für die folgenden Generationen zu erhalten. Die byzantinische Diplomatie wurde später auch von den aufsteigenden Mächten der Republik Venedig, vom Ottomanischen und vom Russischen Reich übernommen.  

Der Kaiser von Konstantinopel pflegte durchaus nicht im Ausland dauerhafte Diplomatencorps einzusetzen. Er berief bei Bedarf vertrauenswürdige Adelige oder Kleriker, die mit den entsprechenden Ländern vertraut waren, entweder durch frühere Reiseerfahrung oder Abstammung, um sich dort diplomatisch betätigen zu können. Dessen ungeachtet ging in der Regel ihrem Aufbruch eine gründliche Einsatzbesprechung voraus. Nicht nur wurde auf jedes Detail geachtet, das zum Erreichen ihres Zieles beitragen könnte, sondern auch wurden sie über die jüngsten Entwicklungen des Hofes informiert, den sie aufsuchen sollten. Es bestand permanenter Schriftverkehr mit Konstantinopel und die Missionen konnten bis zu einem Jahr dauern. Zum ersten Mal wurden Diplomatenberichte erstellt. 

Das Byzantinische Reich bzw. Romania unterschied sich von anderen Staaten seiner Zeit durch seine aktive Intervention in innenpolitische Angelegenheiten anderer Staaten. Heute ist es üblich, dass sich staatliche Institutionen mit der Konzentration und Verarbeitung von Informationen, der Ausarbeitung von Unterstützung ausländischer Zirkel und eventuell sogar mit der Initiierung von Revolutionen beschäftigen. Die Existenz jedoch eines derart fein ausgearbeiteten Mechanismus im 6. Jahrhundert ist bemerkenswert.

Um zwischenstaatliche Herausforderungen bewältigen zu können, wurde von den Byzantinern eine Institution ins Leben gerufen, die Informationen aus jeder erdenklichen Quelle sammelte und archivierte, unter anderem darüber, wer Einfluss besaß, wer der Bestechung verdächtigt wurde, welche die historischen Wurzeln eines jeden Volkes waren, wie man sie beeindrucken konnte etc.. In vielen Fällen waren die Information, die in (der Institution) „Logothesion“ eintrafen die ersten Zeugnisse eines Volkes überhaupt, da die barbarischen Volksstämme selbst kaum schriftliche Zeugnisse hinterließen. Dieses Wissen diente dem Kaiser und seinen Diplomaten zum vollständigen Verständnis des Potentials ihrer Alliierten und der Schwächen ihrer Gegner. 

Die Byzantiner wandten eine Vielzahl von offensichtlichen oder geheimen taktischen Mitteln an, um ihre Ziele mittels der Diplomatie zu erreichen, um keine Gewalt anzuwenden. Eines dieser Mittel waren auch das Zeremoniell. Für den Stammesführer eines nomadischen Volkes aus den kargen asiatischen Steppen waren die kaiserlichen Gesandten mit ihren atemberaubenden Geschenken und Einladungen zum prächtigen Hof von Konstantinopel, die prunkvolle Gefolgschaft in die einzige Stadt der Welt mit einer halben Million Einwohner und einer Fläche größer als jene, die sein ganzes Volk jemals einnehmen könnte, der Anblick der gottbehüteteten Stadtwälle, der gerüsteten Ritter, der exotischen Güter, der lebendigen Märkte, der altehrwürdigen Kirchen und der ekstatischen mystischen Zeremonien Faktoren, die entscheidenden Eindruck bei ihm hinterließen.

Die riesigen kostbar ausgestatteten Paläste, das Hofzeremoniell, die getrimmten Höflinge und Adeligen, der Thronsaal mit beeindruckenden Löwenstatuen, Bäume aus Gold, Gezwitscher mechanischer Vögel, der Kaiser, der mit seinem Thron hoch- und hinabfuhr, reiche Geschenke und Versprechungen nach noch mehr, ließen einfach keinen Raum für mögliche Zwiespältigkeit und Unentschiedenheit. Der Stammesführer wurde zum Alliierten und der überaus großzügige Kaiser ließ ihn die Beute seiner Raubzüge behalten. Die Feinde des Kaiser begannen zu zittern, besiegt durch die Diplomatie und nicht mit Speeren.

Ein anderes taktisches Mittel stellte die Bestechung dar. Die byzantinische Währung war im Vergleich „der Dollar des Mittelalters“ und sehr mächtig. Die byzantinischen Münzen wurden großzügig verteilt und nicht selten konnte mit einem Beutel voll Goldmünzen der Einsatz eines ganzen Heeres umgangen werden, der viel teurer gewesen wäre. Kein Barbar konnte dem Glanz des byzantinischen Goldes widerstehen.

Im 11. Jahrhundert entsandte der Sultan der Seldschuken einen Diplomaten, um über die Bestimmung der Grenzen mit dem Reich zu verhandeln. Kaiser Alexios Komnenos schloss eine geheime Vereinbarung mit dem Gesandten des Sultans, um sich die Festung von Sinope anzueignen. Bis der Sultan darüber informiert wurde, hatte man die Festung bereits eingenommen.  

Ungefähr 200 Jahre später war der gefürchtetste Feind des Reiches Karl I. Von Anjou, der über Sizilien und einem Teil des italienischen Hinterlandes regierte. Karl erhob Anspruch auf Konstantinopel und den kaiserlichen Thron. Michael VIII. Palaiologos beeinflusste Papst Nikolaus  III. mit Versprechungen über eine Vereinigung der Kirchen, sodass er Karl zunächst untersagte, etwas zu unternehmen. Als auch der Papst, verärgert von der anhaltenden Obstruktion, seine Zustimmung zu einem Angriff gab, rührte die byzantinische Diplomatie eine Revolte in Sizilien auf (Sizilianische Vesper). Das Reich war erneut vor den räuberischen Absichten des Westens sicher.

Eine andere Taktik bestand in der Erhaltung der Machtgleichgewichte der barbarischen Völker. Wenn Bulgaren Grenzen überschritten, wurden Russen rekrutiert. Wenn Russen Grenzen überschritten, wurden Petschenegen gerufen. Kumanen und Uz waren die Reserve für dringende Notfälle. Die Byzantiner hatten immer einen Alliierten in Bereitschaft, der ihnen zur Seite stehen konnte, wenn sich ein anderer in einen Gegner verwandelte.

Der Kaiser von Konstantinopel pflegte Beziehungen zu allen möglichen Thronanwärtern (fremder Throne). Wenn beispielsweise ein Sultan der Seldschuken beabsichtigte, das Reich anzugreifen, so war es sehr wahrscheinlich, dass sich einer seiner jüngeren Brüder gegen ihn auflehnte, um das Sultanat energisch für sich selbst zu beanspruchen. Mit byzantinischem Gold würde das türkische Hoheitsgebiet dermaßen aufgerührt werden, dass man in Konstantinopel ruhig schlafen konnte.

Wenn die Zukunft des Reiches gefährdet war, genügte ein geschickter Schachzug, dessen Erfolg die Rettung der Soldaten und die Einsparung von Ressourcen sicherstellte. Herakleios gelang es, eine Botschaft des persischen Shah Osroes abzufangen, in dem die Exekution seines Generals Sarvaraza angeordnet wurde. Herakleios fügte der Botschaft einfach noch die Namen 400 weiterer Amtsträger des persischen Hofes hinzu und ließ sie zu Sarvaraza schicken. Dieser Schachzug war genial. Der General und die Amtsträger erhoben sich gemeinsam gegen Osroes, stürzten ihn und schlossen mit Herakleios Frieden. 

Bei einem anderen Vorfall überwinterte die venezianische Flotte bei Chios und bedrohte das byzantinische Hoheitsgebiet. Die Venezianer schickten Botschafter nach Konstantinopel, um Verhandlungen aufzunehmen. Manuel I. Komnenos weigerte sich, sie zu empfangen. Die Botschafter kehrten in Begleitung eines byzantinischen Beamten nach Chios zurück, der ihnen zu einer erneuten Mission riet. Der venezianische Doge, der Oberbefehlshaber des Schiffes, stimmte dem zu. Nach dem Aufbruch der zweiten Mission brach eine Infektionskrankheit im venezianischen Lager aus. Über 1000 Soldaten und Seemänner starben innerhalb von wenigen Tagen.

Es gab Gerüchte, dass der byzantinische Gesandte das Wasser im Lager vergiftet hatte. Die Venezianer schickten daraufhin eine dritte Mission zum kaiserlichen Hof. Doch Manuel wusste um die Entwicklungen und brauchte keine Zugeständnisse mehr zu machen. Er verzögerte die Verhandlungen, sodass der Doge sich gezwungen sah, nachzugeben, um einen Aufstand seiner eigenen Besatzung abzuwenden. Aber als die Flotte aufbrechen wollte, wurde sie unerwartet von Streitmächten des Kaisers angegriffen, mit vernichtenden Folgen für die Venezianer. Gleich darauf schickte Manuel dem Dogen eine Botschaft, in der er seiner Niederlage eine Beleidigung hinzufügte: „Dein Volk hat bis jetzt nur Dummheit bewiesen“. 

Nicht allein das Griechentum, sondern auch die europäische Kultur in ihrer Gesamtheit, ist dem diplomatischen Geschick der Byzantiner Dankbarkeit schuldig. Wären sie nicht so gewandt gewesen, hätte es unabsehbare Folgen für die Geschichte Europas gehabt. Diese christliche Festung beschütze Europa vom 7. bis zum 15. Jahrhundert vor dem Einzug des Islam. Als Sultan Mohammed II. Konstantinopel eroberte, waren die Völker Osteuropas durch ihren Kontakt zur byzantinischen Kultur mittlerweile genügend gestärkt, um sich einer größeren Expansion zu widersetzen. Wäre dies früher eingetreten, befänden sich diese Völker noch im barbarischen Zustand und die Zukunft Europas wäre unsicher gewesen. Die byzantinische Diplomatie hat unbestreitbar einen positiven Beitrag geleistet. Sie war eine Waffe, die erfolgreich, kostengünstig,  risikoarm, flexibel und wirksam war.  

Quellen:

1) Ιωάννης Κίνναμος, Ιστοριών Βιβλία Ζ’, Corpus Scriptorum Historiae Byzantinae 13, Βόννη 1836. 

2) Αικ. Χριστοφιλοπούλου, Βυζαντινή Ιστορία,  Β2 867-1081, Βάνιας 19972. 

3) Ιωαν. Καραγιαννόπουλος, Το Βυζαντινό Κράτος, Βάνιας 20014.

4) Στήβεν Ράνσιμαν, Βυζαντινός Πολιτισμός, Γαλαξίας-Ερμείας 1992.

5) Michael Angold, Η Βυζαντινή αυτοκρατορία από το 1025-1204, Παπαδήμας 20083.

6) Donald M. Nicol, Οι τελευταίοι αιώνες του Βυζαντίου 1261-1453, Παπαδήμας 20054.

7) A. Vasiliev, Ιστορία της Βυζαντινής Αυτοκρατορίας, τ.Α’- Β’ , Μπεγαρδής χ.χ.



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