Stufen des Atheismus


Stufen des Atheismus

  Von Seiner Eminenz Hierotheos, dem Metropoliten von Nafpaktos und Sankt Vlasios

Quelle (Griechisch): http://www.oodegr.com/oode/a8eismos/genika/stadia1.htm

Jedes Ereignis und jeder geistliche Zustand hat seine Etappen. Der Mensch entwickelt sich stufenweise, und stufenweise durchlebt er verschiedene Zustände. Stufen können im Bezug auf die Sünde aber auch im Bezug auf die Tugend unterschieden werden. So können wir auch über Stufen des Atheismus sprechen.

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Wenn wir über Atheismus sprechen, müssen wir ein bißchen vorsichtig sein. Denn derjenige, den wir als Atheisten wahrnehmen, ist vielleicht in Wirklichkeit gar keiner. Jemand mag ganz anders leben, als wir es tun, aber das kann nicht als atheistisch bezeichnet werden. Es gibt einen theoretischen und einen praktischen Atheismus; und man kann behaupten, daß es auch einen religiösen Atheismus gibt. Zu Letzterem gehören die Menschen, die sehr oberflächlich im Raum der Kirche leben, ohne eine persönliche Erkenntnis Gottes, ein persönliches Bewußtsein der Göttlichen Gnade zu erlangen. Die Pharisäer zur Zeit Christi lebten solch einen eigenartigen Atheismus. Sie befürworteten und lehrten das Gesetz, ignorierten jedoch den Gesetzgeber; und sie ignorierten Ihn nicht nur, sie kreuzigten Ihn sogar.  Daher ist es schwierig, eine Trennlinie zwischen Glauben und Unglauben zu ziehen. Jemand kann gläubig erscheinen und doch im völligen Atheismus und Agnostizismus enden. Und ein Anderer scheint äußerlich ein Atheist zu sein und doch letztlich den vollkommenen Glauben zu finden.

Trotz der Schwierigkeiten, möchte ich im Folgenden die Stufen des Atheismus präsentieren, wie sie bei Clement beschrieben sind. Grundsätzlich unterscheidet er drei Stufen des Atheismus:

„Die erste ist der Antitheismus, die Revolte gegen Gott im Namen der Freiheit und der Gerechtigkeit. Der Antitheismus wurde aus dem Zerfall des Christentums geboren, als es, implizit tot, in eine Ideologie verwandelt wurde und den Totalitarismus suchte, um die verlorene Kraft des Ganzen zu ersetzen."  Eine etablierte Religion, die zu einer Ideologie geworden ist, enttäuscht die Menschen, die nun, beeinflußt durch andere weltanschauliche Antriebe, diese tote und erstarrte Religion offen bekämpfen. Die Reaktionen sind enorm. Sie machen alles Religiöse lächerlich und, richtig, sie tun es im Namen der Gerechtigkeit und der Freiheit. Sie sind rebellisch und oppositionell.

Die zweite Stufe folgt der vorhergehenden. Wenn sie ihres Hohns und ihrer Angriffe müde geworden sind, erreichen sie einen anderen Zustand. „Der rebellische und kämpferische Atheismus ist von seinem eigenen Sieg geschwächt, während die Massen in die Gleichgültigkeit rutschen ... oder in die Flucht und den „Spaß" der „Spektakel-Gesellschaft". Die Anspruchsvolleren unter ihnen stoßen an das Endliche und geben aus Optimismus auf, indem sie absurde und üble Philosophien entwickeln." Diese Gleichgültigkeit und Verzweiflung sind es, die diese zweite Stufe des Atheismus kennzeichnen. Aus einer religiösen Erfahrung wird eine soziologische. Des Kämpfens müde, fällt der Mensch in eine Verzweiflung, die absolut nichts heilen kann. Anstatt dies in eine Verzweiflung zu Gott hin zu verwandeln, d.h. in Reue, verwandelt der Mensch es in eine Verzweiflung zur Welt hin. Er ist von allem enttäuscht und sucht Wege, um seinen Schmerz zu lindern, aber es kann nicht gelingen. 

Wenn er völlig verzweifelt ist, erreicht er eine eigentümliche Stufe des Atheismus. „Nun zeichnet sich bereits eine dritte Form des Atheismus ab, die wir mystizistisch nennen können. Man sucht Gegenmittel für die "öde Wüste" von Wissenschaft und Technik, indem man nach deren Internalisierung strebt, aber immer innerhalb der Grenzen des einen oder anderen, mit anderen Worten, man bleibt bei der Leugnung des persönlichen Gottes, der Mensch geworden ist. Man findet das Merkwürdige wieder, die geheimnisvollen Fähigkeiten des Menschen, die alte Symbolik des Universums". Auf der dritten Stufe sucht der Mensch die "Spiritualität" der östlichen Religionen, der Philosophie, und die Illusion der sozialen Gerechtigkeit im Pseudo-Messianismus. Und man kann sagen, daß der moderne Mensch von diesem krankhaften Mystizismus beherrscht wird.

Aus dieser Analyse ergeben sich mehrere Schlußfolgerungen:

Die erste ist, daß wir leider alles, was im Westen aus der Mode ist, nun in Griechenland erleben. Wir durchleben Situationen, die die Menschen im Westen vor 50 Jahren erlebt haben. Leider geschieht das in allen Bereichen. Wir werden vom Westen beeinflußt, vom veralteten Westen, von dem, was im Westen überholt ist. Zu uns kommen rückständige Lebensmodelle.  In vielen Bereichen ist also das Phänomen des Antitheismus als erste Stufe des revolutionären Atheismus zu verzeichnen, die mittlerweile auch im Westen überholt ist, wo die Menschen bereits die zweite Stufe verlassen und auf der Suche nach der dritten sind, d.h. sie suchen Erlösung und Befreiung von den grausamen inneren Problemen.Wir sind immer rückständig.

Zweitens haben wir in der Orthodoxen Tradition eine gesunde, ausgewogene und lebendige Spiritualität, die wir leben können und so dem Schwindel des krankhaften Mystizismus entkommen können. Wir können eine persönliche Erkenntnis Gottes erlangen. Unser Gott ist nicht abstrakt, ein Gott der Philosophen und Denker, sondern der wahre Gott, der Gott unserer Väter.

Warum sollen wir in einen unpersönlichen, östlichen Mystizismus fallen oder in Magie und dergleichen abgleiten, wenn wir in unserer Tradition über eine vollständige Lehre und ein vollständiges Leben verfügen, die uns zur Erfahrung des personalen Gottes führen?

Die Orthodoxe Kirche hat eine unergründliche Tiefe, die wir nicht mit bloßem Auge erkennen können. Wir können die Kirche als etablierte Institution sehen, aber jenseits der äußeren Erscheinung gibt es eine lebendige Wirklichkeit. Es gibt die Wahrheit, fleischgeworden in Personen.  Die Suche nach dieser Wahrheit und die Erfahrung derselben können unser Fortschreiten zu einem Atheismus hin verhindern, der unser Leben und unsere ganze Existenz aufsaugt.

Übersetzung: Sr. Matthaia

©Heiliges Kloster Pantokratoros

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