Eine kurze Geschichte des Jerusalemer Patriarchates
Die Geschichte des Griechisch Orthodoxen Patriarchates von Jerusalem, das auch als das „Römisch - Byzantinische Patriarchat" (Deir Rum) bekannt ist, ist eine Geschichte der Heiligkeit, des Martyriums und des fortwährenden Kampfes der Kirche Christi und seiner christlichen Herde.
A. Die Gründung der Kirche von Jerusalem erfolgte an
Pfingsten, mit der Herabkunft des Heiligen Geistes, mit welchem die Heiligen
Apostel auf den Befehl des auferstandenen Herrn Jesus Christus hin, das Heilige
Evangelium in der ganzen Welt verkündeten. Der erste Bischof der Kirche von
Jerusalem war der Märtyrer und Apostel, der Heilige Jakobus, der Bruder des
Herrn (+62AD).
Nach der ersten
Christenverfolgung durch den rabbinischen Judaismus und der Zerstörung
Jerusalems durch den römischen General Titus (70 AD), wurde der Sitz der Kirche
Jerusalems in die Stadt Pella am östlichen Ufer des Jordanflusses verlegt: dann
nahm die Kirche des Heiligen Landes viele Griechen auf, die Nachkommen der
Eroberung Alexander des Großen, während die Zahl der jüdischen Christen
abnahm. Die Kirche wurde mehr und mehr griechisch und breitete sich in ganz
Palästina aus. Ein Teil der Kirche kehrte zurück und ließ sich in Jerusalem
nieder.
Die letzten Mitglieder der Kirche in Pella kamen nach der Revolution
von Bar Kochba (135 AD) nach Jerusalem zurück und ließen sich dort nieder.
Jerusalem wurde damals von den Römern das „Aelische Kapitol" genannt, sie
machten es zu einem verbotenen Territorium für die Juden, während über den
Heiligen Stätten Göttertempel erbaut worden wurden.
Während dieser Zeit
war die Hauptniederlassung für die Organisation der Kirche des Heiligen Landes
die Stadt Caesaräa, als Metropolis, unter der sich der Bischofsitz von Aelias,
nämlich Jerusalem, befand. Die Christen des Heiligen Landes erlitten schwere
Verfolgungen, und viele von ihnen erlitten das Martyrium unter den römischen
Kaisern Hadrian, Decius, Diokletian und Maximian.
B. Jerusalem erlebte eine Blütezeit unter der
Herrschaft des Heiligen Königs und Apostelgleichen Konstantin des Großen (324
AD), bis zu Beginn des siebten Jahrhunderts. Mit der Hilfe des Heiligen
Konstantin und der Königinmutter, der Heiligen Helena, wurde sowohl das Heilige
Kreuz als auch das leere Grab der Auferstehung Christi gefunden. Sie machten
auch all die anderen heiligen Stätten des irdischen Heilshandelns des
göttlichen Wortes (Logos), unseres Herrn Jesus Christus, bekannt und schmückten
sie, indem sie ungefähr 25 wunderschöne heilige Kirchen bauten, über dem
Heiligen Grab, dem grauenvollen Golgotha, der Stelle, an der das Kreuz
aufgefunden wurde, der gottbegnadeten Grotte der Geburt Christi, des Platzes der
Himmelfahrt des Herrn und an anderen heiligen Orten (326-335). Die Bischöfe von
Jerusalem erwiesen sich als wichtige Personen im Kampf gegen die Häresien, so
z.B. der Heilige „Kyrill der Katechet" gegen die Häresie des Arianismus. Das
Mönchtum entfaltete sich immer weiter und erhielt eine mehr organisierte Form
durch die Systeme der Lavra der Heiligen Hilarion und Chariton zu Beginn des
vierten Jahrhunderts.
Nach und nach wurde
der Bischofsitz von Jerusalem, der zu einem Heiligtum für alle Christen geworden
war, die Metropolis der drei Bezirke Palästinas (zu Beginn des 5.
Jahrhunderts), während die Form ihres Gottesdienstes, das Typikon, sich ständig
vorbildlich entwickelte, und die Sprache des Gottesdienstes fast ausschließlich
griechisch blieb.
Schließlich erhob die
Vierte Ökumenische Synode von Chalzedon (451) die Kirche von Jerusalem zum
Patriarchat, zu einem der fünf größten kirchlichen Zentren der damaligen Welt
(dem Pentarchat der Patriarchate), gemäß der Stellung, die es im Bewußtsein der
Christen für die hervorragende Gottesverehrung, die Theologie und das monastische
Leben, für seine Kämpfe um die Orthodoxie und für seine unvergeßliche
kirchliche Architektur einnahm.
Das Mönchtum der
Jerusalemer Kirche schenkte der Kirche während des 5. und 6. Jahrhunderts
einige der leuchtendsten asketischen Gestalten: den Heiligen Efthymios den
Großen, den Heiligen Gerasimos, Savvas den Geheiligten und Kyriakos den
Anachoreten, den Heiligen Theodosius den Zönobiarchen, den Organisator des
zönobitischen Mönchtums und viele andere, die die vertrockneten Wüsten Judäas
und Palästinas in Städte (Tausende von Mönchen lebten dort) engelgleichen
Lebens verwandelten. Der Orden der „Spoudaion" der Auferstehungskirche
(„Spoudaion" bedeutete im damaligen Sprachgebrauch „derjenigen die hart
arbeiteten"), d.h. die frühe Form der Bruderschaft des Heiligen Grabes, wurde
entweder von Bischof Alexander während des 3. Jahrhunderts gegründet, oder er
wurde schließlich während der Periode nach dem Wiederaufbau der
Auferstehungskirche Ende des 5. Jahrhunderts AD unter dem Patriarchen Elijah
dem Ersten im Bereich um das Heilige Grab ansässig. Neben der Sorge für ihre
Herde und ihre Asketen trugen die Patriarchen von Jerusalem und die oben
erwähnten monastischen Führer wesentlich zum Kampf gegen die Häresien des
Monophysitismus und des Origenismus bei. Jerusalem wurde zu einem Zentrum
christlicher Gottesverehrung und kirchlicher Literatur, während die Wohltaten
des Kaisers Justinian diejenigen des vergangenen Jahrhunderts ergänzten,
verstärkten solche, wie die tatkräftige Kaiserin Evdokia von Athen, die
Wohltäterin des Heiligen Landes (Mitte des 5. Jahrhunderts) diesen Fortschritt
noch mehr. Kurz bevor Jerusalem am 19. Mai 614 in die Hände der Perser
von Chosrou fiel, war ihre Kirche auf ihrem Höhepunkt, es gab vier große
kirchliche Metropolen: Cäsaräa, Skythoupolis, Petra und Vostron und ca. 365
Klöster.
Die Zerstörung durch
die Perser, ein trauriger Meilenstein in der Geschichte der Kirche Zions,
hinterließ 65 000 Tote in Jerusalem und machte alle Heiligen Stätten und
Klöster dem Erdboden gleich. Das Heilige Kreuz, der Patriarch Zacharias und die
Würdenträger von Jerusalem wurden nach Persien in die Gefangenschaft geführt.
Der Stellvertreter des Thrones und spätere Patriarch von Jerusalem, der Heilige
Modestos, stellte die Heiligen Stätten in größerem Glanz wieder her, während
Kaiser Herakleos nach jahrelangem Krieg die Perser 627 n.Chr. in die Flucht
schlug und das Heilige Kreuz wieder fand, das er 630 n.Chr. triumphal nach
Jerusalem zurückbrachte, zusammen mit
den Gefangenen. Dennoch, konnte Herakleos einige Jahre später die Flut der
vorrückenden Araber nicht aufhalten, und im Jahr 638 n.Chr. wurde Jerusalem, endgültig
getrennt vom griechisch-römischen Kaiserreich und fiel in die Hände der Araber.
C. Trotz des guten Willens des Eroberers von
Jerusalem, Omar Ibn Al-Hattab gegenüber den Christen und ihrem Patriarchen, dem
Heiligen Sophronius, dauerte die Periode des größten Leids des Jerusalemer
Patriarchates mehr als ein Jahrtausend. Durch seinen persönlichen Befehl (Actiname),
erkannte Kalif Omar den Patriarchen der „Königlichen Nation" (d.h. Byzanz)in
seiner Eigenschaft als Herrscher der Nation und geistlichen Führer aller
Christen Palästinas, selbst der heterodoxen, an, und ebenso als
Ehrenbotschafter zwischen allen christlichen Führern, indem er ihm Wohlwollen
garantierte, Sicherheit und Steuerfreiheit auch unter den künftigen
muselmanischen Herrschern.
Seine Nachfolger,
willkürliche arabische Führer, waren dennoch sehr hart. Die christliche
Gemeinde begann unter koordinierten Islamisierungsversuchen zu leiden und den
Versuchen sie zu enthellenisieren. Trotz der widrigen äußeren Umstände wurde
das geistliche Leben von den verfolgten Christen immer weiter gepflegt, und die
Kirche von Jerusalem spielte eine wichtige Rolle bei der Überwindung der
Häresien des Monotheletismus und des Ikonoklasmus und selbst beim ersten
Auftreten des „filioque", der Häresie der Frankopapisten in Jerusalem (808
n.Chr.). Von den vielen berühmten Theologen, ist es wert, den Heiligen Patriarchen
Sophronius (+ 638) und den sabbaitischen Priestermönch, den Heiligen Johannes
Damaskinos (ca. +784), einen der Koryphäen und einzigartigen Persönlichkeiten
der Theologie und Hymnographie, zu nennen.
Das neunte
Jahrhundert war, wie auch das achte, gekennzeichnet durch die Verfolgungen der
Christen und die schweren Plünderungen der Heiligen Stätten, der Kirchen,
Klöster und der einfachen Gläubigen, während noch ein Bürgerkrieg zwischen den
verschiedenen Teilen der Araber und Unterdrückungsmaßnahmen hinzukamen. Dazu
gehörte das Verbot von Prozessionen und des Lehrens der griechischen Sprache,
so daß für die Gemeinde der Gebrauch der griechischen Sprache auf die
Gottesdienste in den Kirchen beschränkt war, ebenso die wiederholte
Entsakralisierung und Zerstörung der Auferstehungskirche und des übrigen
Heiligen Landes, die Exile und Ermordungen der Patriarchen etc. Der Höhepunkt
des Bösen ereignete sich unter Kalif Al-Hakim (1007), der die bis dahin
schlimmste Verfolgung von allen auslöste. Neben der Herabwürdigung der Christen und der
Konfiszierung des Vermögens der Heiligtümer, wurden die Auferstehungskirche und
die umliegenden Klöster zerstört, ebenso das Heiligtum des Heiligen Georg in
Lydda, während die Verfolgungen ihren Höhepunkt in der Plünderung der
Kirchenschätze der Auferstehungskirche und der Zwangsislamisierung durch
grausame Folterungen erreichten. Eine leichte Verbesserung trat unter dem
Nachfolger Hakims, Al Zahir, ein, und auch Kaiser Konstantin Monomachus von
Konstantinopel (1042-1055) trug entscheidend zum Wiederaufbau der
Auferstehungskirche und des übrigen Heiligen Landes bei. Allerdings
wurde die Kirche erneut durch die scharfe Konfrontation mit den Arabern und der
zunehmenden Macht der Selgic Türken geprüft. Die Situation änderte sich etwas
durch die Ankunft der Kreuzfahrer im Jahre 1099.
D. Die Kreuzfahrer legten den besiegten Moslems gegenüber eine völlig entgegengesetzte Haltung an den Tag, als es Omar Hattab den besiegten Griechen gegenüber getan hatte, indem sie ein entsetzliches Massaker verursachten. Die Orthodoxe Kirche erlitt ebenfalls Marterqualen unter der Anwesenheit der Frankolateiner. Die Patriarchen von Jerusalem wurden für 88 Jahre ins Exil geschickt und auf die Erlaubnis der Kreuzfahrer hin, wurde ihre Stellung in Jerusalem durch den Abt der Lavra des Heiligen Savva vertreten. Die Auflagen der lateinischen Kirche gegenüber dem orthodoxen Klerus waren heftig und alle Heiligtümer gingen an die Lateiner und wurden dem römisch-katholischen Klerus übergeben, während die Bruderschaft des Heiligen Grabes das Recht behielt, die Kirche der Auffindung des Kreuzes zu nutzen und im Heiligen Grab ebenso wie in Bethlehem die Liturgie auf griechisch zu feiern. Sie erhielt auch viele Klöster außerhalb Jerusalems und in der Heiligen Stadt das Klostergut der Lavra des Heiligen Savva, in der Nähe des Davidstores, das ihr Zentrum war, und das Kloster „Megali Panagia". Die Kreuzfahrer wollten die Armenier und die Jakobiten für sich gewinnen, und gewährten ihnen Kirchen und Klöster. Ein wichtiges Ereignis während dieser Zeit war die Restaurierung vieler orthodoxer Heiligtümer unter dem griechischen Kaiser Manuel Comninus (1143-1180), während die Kreuzfahrer die Auferstehungskirche beinahe in ihrer Originalform aus der Zeit vor 614 wiederherstellten. Sie vereinten die vier Kirchen wieder, die unter dem Heiligen Modestos erbaut worden waren (Auferstehung, Golgotha, Kreuzabnahme und Auffindung des Kreuzes) und gaben dem Komplex der Auferstehungskirche die vereinte Form, die sie bis heute bewahrt hat.
E. Die Niederlage, die die Kreuzfahrer durch die Mamelucken von Salah Ed Din im Jahre 1187 auf den Höhen von Hattin, in der Nähe von Tiberias, erlitten, brachte Jerusalem wieder zurück in die Hände des Islam, obwohl der endgültige Rückzug der Kreuzfahrer aus dem Heiligen Land nach ihrer Niederlage in Ptolemaidos im Jahre 1291 kam. Salah Ed Din, der aus Respekt die Anweisungen Omar Hattabs befolgte, gab alle Heiligen Stätten an die Griechen zurück, aber einige der höchsten Verwaltungsbeamten übergaben einige Heiligtümer den monophysitischen Kopten und den Äthiopiern. Die Haltung der Mamelucken gegenüber dem Griechischen Patriarchat änderte sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts, und lang andauernde Verfolgungen begannen während der Zeit des Patriarchen Joachim (1431), als die Auferstehungskirche beinahe in eine islamische Moschee verwandelt wurde. Im Jahr 1334 kamen die Franziskaner nach Jerusalem und ließen sich auf dem Berg Zion nieder, während parallel dazu die Präsenz der jakobitischen und der armenischen Mönche verstärkt wurde. Die Ankunft vieler orthodoxer Mönche aus Georgien und Serbien sorgte für ein Gegengewicht, das die griechisch-orthodoxe Präsenz im Heiligen Grab stärkte, selbst wenn es nicht immer ohne Probleme war. Den Georgiern übergaben die Griechen das Kloster vom Heiligen Kreuz und den Serben das Kloster von den Erzengeln, das Metochion der Lavra des Heiligen Savva.
Der Fall Konstantinopels an die Türken (1453) und der sich daraus ergebende vollständige Verlust des offiziellen politischen Schutzes bedeuteten den Beginn neuer Verfolgungen. Patriarch Athanasius der Vierte reiste in die Stadt (Konstantinopel) und da es ihm gelang, eine Verordnung des Sultans (Hati Seraph) von Mohammed dem Zweiten, dem Eroberer (im Jahre 1458) zu veranlassen, konnte die Gefahr der Zerstörung der Heiligtümer und des Verlustes der orthodoxen Anrechte auf sie abgewendet werden. Später tat Patriarch Gregorius der Dritte (1468-1493AD) dasselbe, und es gelang ihm, eine neue Verordnung vom Eroberer zu bekommen. Die griechischen Kleriker wurden von furchtbarer Armut gegeißelt, während ihre Hinwendung zu dem Eroberer die Beziehung zu den Mamelucken und selbstverständlich zu den Lateinern verschlechterte.
F. Die neue Epoche, die
mit der Herrschaft der ottomanischen Türken im Heiligen Land (1517) begann und
die bis dahin regierenden Mamelucken aus Ägypten ersetzte, wurde Zeuge der
legendären Kämpfe der Bruderschaft des Heiligen Grabes für den Schutz der
Heiligen Stätten, mit der Hilfe Gottes, gegen die Pläne der anderen
christlichen Lehren. Es war die Epoche der Bildung und Festigung des Status Quo
der Heiligtümer.
Dieser Zeitraum Jerusalems ist gekennzeichnet durch die Bemühungen
hauptsächlich der Lateiner und der Armenier, Zugang zum Hohen Tor des Sultans
in Konstantinopel zu bekommen, mit der Absicht, das Wohlwollen gegenüber der einheimischen
(griechischen) Kirche des Heiligen Landes abzuwenden und den Primat und sogar
die Ausschließlichkeit der Heiligen Stätten zu erlangen. Die Bemühungen der
Ersteren gründeten auf der Diplomatie der Europäischen Mächte, während die der
Letzteren auf wirtschaftlichen und anderen Mitteln gründeten. Hier sind einige
der Kämpfe:
Mit der Vorherrschaft der Türken in Palästina, unter Selim, dem Nachfolger
von Mohammed dem Eroberer, wurden die Rechte der Kirche von Jerusalem wieder
von der Türkischen Behörde anerkannt, die Anwesenheit der Franziskaner war ein Gegenstand
der Mißgunst, und ihr Kloster wurde
zerstört (1523AD). Dennoch verstärkten die anderen Konfessionen allmählich ihre
Bemühungen sich in den Status Quo der Heiligtümer einzumischen.
Im 16. Jahrhundert wurde aufgrund der fruchtbaren Bemühungen des
Patriarchen Germanus des Sabbaiten (1537-1579) die Reorganisierung der
Bruderschaft des Heiligen Grabes besiegelt. Der Patriarch Germanus sorgte für
die Restauration der Heiligen Stätten und es gelang ihm von Sultan Suleiman
(1538) ein „Firman" (Anm.: eine
schriftliche Erklärung, die bis heute gültig ist) zum Wohl der Griechen
ausgestellt zu bekommen. Dann reiste er für längere Zeit nach Russland um
Spenden zu sammeln und legte so die Grundlage des vorherrschenden Ethos der
„heiligen Auswanderer" der Bruderschaft des Heiligen Grabes in die Länder desselben
orthodoxen Glaubens, vor allem in diejenigen jenseits der Donau und Russland,
um die Heiligen Stätten finanziell zu unterstützen. Darüber hinaus
reorganisierte er die Bruderschaft des Heiligen Grabes in einer engeren Union
mit ihrem Patriarchen und Abt. Seine Bemühungen wurden von seinem Nachfolger,
Patriarch Sophronios IV (1579-1608) weitergeführt.
Im Jahre 1604 wurde eine Vereinbarung zwischen Frankreich und der Türkei
unterzeichnet, die offiziell die Rechte der Lateiner im Heiligen Land
anerkannte, und die Lateiner zogen im folgenden Jahr auf Golgotha und in der
Kirche von Bethlehem ein, während im Heiligen Land die Jesuiten als
Gegenspieler der Franziskaner auftauchten. Parallel dazu versuchten die
Armenier sich die Zeremonie des Heiligen Lichtes anzueignen, wurden aber durch
den Beschluß des Sultans von 1611 abgewehrt. Der Botschafter Frankreichs in
Konstantinopel führte einen Kampf gegen den Patriarchen Theophanis III., dem es
jedoch gelang, eine Reihe von „Firman" (schriftlichen Erklärungen) (1631-1634)
von Sultan Mourat zu erwirken, die gleichwertig und übereinstimmend mit den
Erlässen von Mohammed dem Eroberer und von Selim waren.
Zuvor war Patriarch Theophanis gezwungen, viele Kirchenschätze von großem
Wert zu verkaufen, um den Verlust der Lavra und des Metochion der Heiligen
Erzengel an die Lateiner und Armenier abzuwenden, die gesandt waren, die
Schulden einzutreiben, Schulden, die durch die sorglosen wirtschaftlichen
Praktiken der Serben entstanden waren, die in der Lavra des Heiligen Sabbas
lebten.
Patriarch Paisios (1645-1660) wehrte die Versuche der Armenier ab, die abbessynischen
(äthiopischen) Grundstücke zu erben, allerdings gelang es ihm nicht, die
Versuche der Armenier zu verhindern, das Kloster des Heiligen Jakobus zu
bekommen. So fiel dieses Kloster im Jahre 1658 endgültig in die Hände der
Armenier und wurde der Sitz des Armenischen Patriarchates von Jerusalem.
Das glorreiche Patriarchat Dositheos II (1669-1707) erleuchtete diese
dunklen Jahre und wurde zu einem Wellenbrecher gegen die koordinierten Aktionen
der Heterodoxen, die von den vorherrschenden geschichtlichen Bedingungen
profitierten und denen es dadurch beinahe gelang, die Bruderschaft des Heiligen
Grabes von den Heiligen Stätten zu vertreiben. Dositheos wehrte einen ernsthaften
Versuch Frankreichs ab, die Heiligen Stätten den lateinischen Mönchen
zuzugestehen, und ging nach Konstantinopel, nachdem er zuvor in Jerusalem zwei
Mordanschläge ihrerseits überlebt hatte, wo er im Jahre 1677 die vereinten
Bemühungen der Botschafter von Österreich, Frankreich, Polen und Venedig
zunichte machte, den Lateinern neue, nicht historische Privilegien zuzugestehen.
In kurzer Zeit (1680) rettete er das Kloster vom Heiligen Kreuz aus den
Schulden der orthodoxen georgischen Mönche und vor den Lateinern und Armeniern,
die ständig herbeieilten um die Schulden einzutreiben. Dennoch, der Krieg der
drei oben erwähnten Mächte und Russlands gegen das Ottomanische Tor verschlechterte
die Lage, trotz der Herausgabe eines Firman von Suleiman für die Orthodoxen im
Jahr 1688. Die Niederlage der Türkei durch Österreich im selben Jahr, führte
zur Herausgabe eines Firman für die Lateiner im Jahr 1689, das die Heiligen
Stätten den Griechen wegnahm und die Lateiner so sehr ermutigte, daß sie die
Agiotaphiten aus Jerusalem vertrieben. Dositheos schwor jedoch, daß er nicht
nach Jerusalem zurückkehren werde, bevor er die Lateiner von den Heiligen
Stätten vertrieben habe, die sie illegal erworben hatten. Es gelang ihm die
Herausgabe eines sehr nützlichen Firman, das aber von geringerer Wichtigkeit
für das Patriarchat war. Zuletzt verstarb er 1707, ohne daß er den Erfolg
seines Kampfes noch erlebte hatte, und er überließ den Stab des Patriarchates
und den Kampf für den Glauben dem Patriarchen Chrysanthos. Ihm gelang es von
Anfang an eine Bestätigung zu bekommen, daß der Orthodoxe Patriarch oder sein
Stellvertreter bei der Zeremonie des Heiligen Lichtes den Armeniern vorstand,
und in den Jahren 1719 und 1720 gelang es ihm, Teile anderer Rechte der Orthodoxen
wiederzuerlangen. Im Jahre 1737 wurde die erste Orthodoxe Schule in Jerusalem
vom Patriarchen Parthenios gegründet. Ein neuer Vertrag zwischen Frankreich und
der Türkei im Jahre 1740 verwundete von neuem die Kämpfe der Agiotaphiten, aber
zwei Verordnungen von Sultan Osman (1757) und Osman Mustapha III (1768), die
sie aufgrund der Bemühungen des Parthenios erlassen hatten, stellten die legalen
Rechte für die Agiotaphiten wieder her, die ihnen seit 1689 zu Unrecht entzogen
worden waren. Patriarch Parthenios arbeitete auch die Regeln der Bruderschaft
vom Heiligen Grab aus, die später bearbeitet und verbessert wurden.
G. Das Ende des 18. Jhdts. brachte eine Wende in die
Entwicklungen der diplomatischen Angelegenheiten bezüglich des Status Quo der Heiligen Stätten, für die Stabilisierung
des Status Quo, so wie wir ihn heute kennen, und es begann der Prozeß der
inneren Organisation und der wirtschaftlichen Wiederaufrichtung des
Patriarchates.
Der Pakt
von Kioutsouk Kainartzi (1774) zwang die Türkei, einen ihrer Untertanen für die
Verbesserung der Lebensumstände der Christen zu verpflichten und Russland als
Beschützer der Christen und der Heiligen Stätten anzuerkennen.
Die
Lateiner und die Armenier unternahmen Anstrengungen, um sich auf Golgotha, in
Gethsemane und Bethlehem einzumischen, aber sie hatten keinen Erfolg. Die
Armenier versuchten alles, um mehr Rechte im
Heiligen Grab zu bekommen, durch ihre Teilnahme an seinem Wiederaufbau, nach
einer vermutlichen Zerstörung - sie hatten 1808 Feuer in der
Auferstehungskirche gelegt, die damals größtenteils aus Holz bestand. 1809
erließ Sultan Mahmout II. ein Dekret zum Wiederaufbau der Grabeskirche, ausschließlich
durch die Griechen. Das veranlaßte die Lateiner und die Armenier zu starken
Reaktionen, diese versuchten mit allen Mitteln, ja selbst mit schweren
Gewalttaten gegenüber den griechischen Arbeitern, die Wiederherstellung der
Kirche zu behindern, in der Hoffnung die Herausgabe eines für sie
vorteilhafteren „Firman" zur Wiederherstellung der Kirche zu erreichen. Letztendlich
wurde die Heiligste Auferstehungskirche, die mit dem Schweiß, dem Blut und dem
Geld des ohnehin Mangel leidenden unterjochten „Geschlechts der Römer"
(Byzantiner-Griechen), aufgebaut worden war, am 13. September 1810 eingeweiht,
dem Gedenktag der Einweihung der Auferstehungskirche, der sich als „das Wunder
des Glaubens der Griechen" auszeichnete.
Die Revolution von 1821, die die Bruderschaft vom Heiligen Grab zusammen
mit den anderen Griechen unter die ungünstige Anklage des Verrats an der Hohen
Pforte stellte, öffnete das Feld für die Heterodoxen, für die von ihnen
begehrte Vertreibung der Griechen von den Heiligen Stätten, während die
Agiotaphiten Furchtbares von den Türken zu erleiden hatten. 1824 nahmen die
Armenier einen Teil Zions ein und versuchten auch Golgotha einzunehmen, während
sie dieselben Rechte wie die Lateiner im Heiligen Grab erhielten. 1834, als
sich Palästina in der Hand Ibrahim Paschas von Ägypten befand, versuchten die
Lateiner gemeinsam mit den Armeniern die volle Herrschaft über die Heiligen
Stätten zu erlangen, indem sie die Gelegenheit nutzten, die sich durch die
Arbeiten am Wiederaufbau der Heiligen Stätten bot, welche nach dem Erdbeben von
1834 unbedingt notwendig waren. Der Druck der europäischen Mächte auf die
Türkei führte 1847 zur erneuten Gründung des Lateinischen Patriarchates, das
nach den Kreuzzügen abgeschafft worden war, während die kooperierenden
Engländer (Anglikaner) und Deutschen (Lutheraner) Protestanten, wie auch die
Uniaten, schon zum Jahr 1840 im Heiligen Land erschienen waren. Dennoch fanden
die Heiligen Stätten besonders in dieser Zeit, wie auch schon früher, starke
orthodoxe Hilfe vom Russischen Reich, dessen Einmischung leider dennoch nicht
völlig uneigennützig war.
Die Ankunft des russischen Archimandriten Uspenski in Jerusalem im Jahre
1843 und die Gründung der Orthodoxen Russischen Mission 1848 verstärkten die
orthodoxe Präsenz, schufen aber gleichzeitig von Seiten der Russischen Mission ein
künstliches Klima der Gegenüberstellung zwischen der griechischsprachigen
Bruderschaft vom Heiligen Grab und ihrer arabischsprachigen Gemeinde, so daß
die Einmischung russischer Interessen in die kirchlichen Angelegenheiten
Jerusalems und „das Anspannen der Gemeinde vor den russischen Karren" einfach
war. Diese Politik, die von Anfang an selbst von Russland kritisiert wurde,
erreichte ihren Höhepunkt in den Ereignissen, die zum Ende des Patriarchates
des berühmten Jerusalemer Patriarchen Kyrill II führten, der, nachdem er sich von
den russischen Diplomaten in Konstantinopel hatte täuschen lassen, die
Teilnahme an der 1872 herrschenden synodalen Verurteilung des Bulgarischen
Schismas und des dahinter verborgenen Nationalismus und Panslavismus vermied.
Natürlich brachte das Kyrill II. in Konflikt mit der Bruderschaft vom Heiligen
Grab, die es bei ihrer Versammlung (1872) zuerst entschied und letztendlich
auch seine Entthronung erreichte, trotz der von ihm und der türkischen Polizei
geleiteten Verfolgungen der Brüder. Dann wählte er als seinen Nachfolger den
Patriarchen Prokopius II., Russland reagierte darauf und beschlagnahmte die Ländereien
des Heiligen Grabes in Bessarabien und im Kaukasus, die 1875 wieder
zurückgegeben wurden, demselben Jahr in dem die Hohe Pforte die neuen internen
„Regeln des Römischen (Griechischen) Patriarchates von Jerusalem" bestätigte.
Dennoch war das lange Patriarchat Kyrill des II.
(1845-1872) entscheidend und die meiste Zeit nützlich für das Patriarchat von
Jerusalem: unter anderem wurde in seinen Tagen die Druckerei des Patriarchates,
die älteste in Palästina, gegründet
(1853), ebenso die Theologische Schule vom Heiligen Kreuz (1855), theologischer
Nährboden großer Wissenschaftler der Orthodoxen Kirche, der Patriarch von
Jerusalem wurde nicht mehr wie gewohnt in Konstantinopel gewählt, (diese
Gewohnheit hatte während der beiden letzten Jahrhunderte vorgeherrscht, so daß
die Kirche Zions vom Zentrum des Griechentums, dem Patriarchat von Konstantinopel
aus, gestärkt wurde).
Die internationalen politischen Beziehungen und das intensive diplomatische
Ringen zwischen Frankreich und Russland 1851, um die Interessen der Lateiner
oder der Orthodoxen voranzutreiben, führte zum Sieg der Letzteren, so daß 1852 eine,
für die Römer günstige Verordnung (Hati Serif) erlassen wurde, und eine weitere
1853, welche die vorhergehende näher klärte, die den Betrieb der Heiligen
Stätten und die diesbezüglichen Rechte des Griechischen Patriarchates und der
Christlichen Konfessionen bestimmte; sie bilden wesentlich
den heutigen Status Quo der Heiligen Stätten. Der Vertrag von Paris 1856
bestätigte den damals geltenden Status Quo der Heiligen Stätten, der auch von
der Berliner Konferenz 1878 gefestigt wurde. Dieser Status Quo, der zu Recht
die älteste Kirche des Heiligen Landes, d.h. die Orthodoxie, begünstigte und
von neuem von der Gemeinschaft der Völker und später von der Organisation der
Vereinten Nationen bestätigt wurde (1947-1950), ist bis heute in Kraft und wird
mit Sorgfalt von allen christlichen Gemeinschaften gehütet, als ein sicherer
Schlüssel zur Ausübung ihrer Rechte und im Interesse der Heiligen Stätten, denn
„derjenige, der die Ordnung hütet, wird auch von ihr behütet."
Eine bemerkenswerte Handlung wurde Ende des 19. Jhdts. von Efthymios, dem Sakristan der Heiligsten Auferstehungskirche, vorgeführt, er begann mit der Renovierung des Gebäudekomplexes des Patriarchates und vollendete den Wiederaufbau vieler Stätten im christlichen Sektor der Altstadt Jerusalems, von Joppetor (Davidstor) bis zur Auferstehungskirche. Seinetwegen trägt dieser Sektor auch heute noch seinen Namen (Aftimos). Die Schule vom Heiligen Kreuz, die nach einer kurzen Unterbrechung (1873) ihre Arbeit unter dem Patriarchen Gerasimos (1891-1897) wieder aufgenommen hatte, unterbrach sie später wieder, es wurde aber dafür gesorgt, daß sie wieder in Betrieb genommen wurde. Die Gemeinschaft vom Heiligen Grab, d.h. die Bruderschaft, sorgte sowohl für die Sicherung der Manuskripte als auch für die weiteren Schätze des Patriarchates, wie für den Grundbesitz, der Aufgrund der Entwicklungen in Palästina im 20. Jhdt. in viele Schwierigkeiten verwickelt war. Gleichzeitig wird die orthodoxe Gemeinde, die das Objekt der pastoralen Sorge des Jerusalemer Patriarchates und die Säule des christlichen Zeugnisses im Heiligen Land darstellt, mit der Herausforderung der zunehmenden religiös-politischen Krise konfrontiert, die aber auch von der Propaganda der heterodoxen christlichen Gemeinden herrührt; sie entfernt sich leider von ihrem ererbten christlichen Heim, auf der Suche nach einem besseren Leben, und emigriert aus dem Heiligen Land.
Nachwort:
Die Kirche von Jerusalem ist die einzige einheimische Kirche des Heiligen
Landes, die, weil sie orthodox ist, den orthodoxen Glauben der Heiligen Apostel
und Väter bewahrt hat, der seit vielen Jahrhunderten unverändert erhalten
blieb. Die übrigen christlichen Konfessionen und Gemeinden, die ihren
nationalen oder zentralen kirchlichen Leitungen außerhalb des Heiligen Landes untergeordnet
sind, welche sie im Heiligen Land vertreten, bleiben deutlich zurück hinter der
bedeutenden Rolle, die die Kirche Zions unter der Anleitung des Ordens der
„Spoudaion" (s.o.), der Bruderschaft vom Heiligen
Grab, spielt. Der griechische Charakter der Kirche Zions, jenseits ihres
unmittelbaren Bezeugtseins durch die ersten Christen Palästinas, übersteigt die
nationalen Verpflichtungen, weil er das Patriarchat des Heiligen Zion durch die
Universalität seines orthodoxen Griechentums inspiriert, mit der geistlichen und christozentrischen Kultur der Väter, und deshalb sowohl die
Universalität als auch den Zugang zu all den Heiligen Stätten gewährleistet.
Die kriegerischen Auseinandersetzungen im Mittleren Osten in den letzten
Jahren und die daraus folgenden Probleme führten zu einem Schwund der
christlichen Bevölkerung im Heiligen Land, der immer noch anhält. Dennoch
bleibt die Kirche Zions ihrer Sendung treu, ihre Herde auf den Wegen des Heils
anzuleiten und den liturgischen Charakter der Heiligen Stätten zu erhalten, in
deren Nähe die einheimischen Seelen und die der Pilger, die nach der Wahrheit
suchen, den Guten Hirten finden, dort, wo ER durch das Kreuz und die
Auferstehung „das Heil auf Erden vollbringt" (Ps. 73,12)
Übersetzung: Schwester Matthaia Osswald
Anmerkung: Die Bezeichnung Byzantinisches Reich ist in der modernen Forschung üblich, war aber unter Zeitgenossen nicht verbreitet, die nicht von „Byzantinern", sondern von „Römern bzw. Rhomäern" oder „Griechen" sprachen.
Diese Bezeichnung führt häufig zu Verwechslungen. Um diese zu vermeiden, benutzen wir im obengenannten Text die Bezeichnung „römisch-byzantinisch" oder nur „byzantinisch". Wenn wir ausschließlich die Bezeichnung „römisch" verwenden, bezieht sich das auf das alte, heidnische Rom, das z.Zt. Jesu im Heiligen Land an der Macht war.