Was ist die Heilige Offenbarung?


THEMEN ZUR ORTHODOXEN KATECHESE
Von P. Antonios Alevizopoulos
Dr. der Theologie und Philosophie

Was ist die Heilige Offenbarung?

Übersetzung: Sr. Matthaia ©Heiliges Kloster Pantokratoros

Gemäß dem Orthodoxen Glauben, ist die Kirche nicht auf schriftlichen Texten gegründet, sondern auf dem Bekenntnis, daß Christus Gottmensch ist, daß sich also in der Person Christi Gott mit dem Menschen vereint, „unteilbar, unwandelbar, unverwechselbar, untrennbar“; und der Mensch kam in wahre Gemeinschaft mit Gott, und in der Person Christi wurden Gott und Mensch hypostatisch vereinigt, d.h. zu einer einzigen Persönlichkeit.

Der Sohn und Wort Gottes fährt fort, hypostatisch mit Seinem Leib vereint zu sein, und als das Haupt der Kirche, ist Er immer vereint mit uns (Mt. 18,20; 28,20). Der Heilige Geist aktiviert die Gegenwart Christi im Leben der Kirche (1 Kor. 12,3). Deshalb ist die Kirche auch "Säule und Grundfeste der Wahrheit" (1 Tim. 3,15; 1 Kor. 2,7-11).

Unser heiliger Glaube wurde dem Leib Christi, „den Heiligen ein für alle mal“ überliefert und wer diesem Körper nicht angehört, kann die Heilige Schrift nicht richtig auslegen (2 Thess. 3,6; 2 Petr. 3,16; Jud. 3-4). In diesem Sinn ist die Heilige Überlieferung die Erfahrung der Kirche, das heilige Gedächtnis der Kirche, das als kostbarer Schatz bewahrt wird (2 Tim. 1,13-14).

Die Bibel enthält nicht die Fülle der göttlichen Offenbarung. Bereits im Alten Testament wird die Bedeutung der mündlichen Überlieferung betont und die Fürsorge für ihre Weitergabe von Generation zu Generation (Ps. 44,2; 1. Joel 1,3). Das Neue Testament bemerkt, dass es nicht die Fülle der Worte und Werke Christi enthält (Johannes 21,15).

Die Bibel selbst nutzt die Überlieferung (Num. 21,14-15; Mt. 2,23; Apg.20,35; 2 Tim. 3,8; Judas 14). Christus hat seine Jünger nicht ermutigt, Bücher zu schreiben, sondern zu predigen, und er versprach ihnen, dass er immer bei ihnen sein wird (Mt. 28,20) und dass er ihnen den Heiligen Geist senden wird (Joh. 14,16), um bei ihnen zu bleiben, sie zu lehren, sie an Seine Predigt zu erinnern (Joh. 14, 5-26), und sie in „die ganze Wahrheit“ zu führen, indem er ihnen die tiefere Bedeutung der Worte Christi offenbaren wird, all das, was sie nicht aus eigenen Kräften „tragen“ konnten (Joh.16,12-15).

Aber auch die Jünger beschränkten sich nicht auf geschriebene Texte, sie überlieferten den ersten Christen viel mehr als das, was "durch Papier und Tinte" aufgezeichnet ist (2 Joh.12; 3 Joh. 13-14; 1 Kor 11, 34). Manches, das niedergeschriebenen war, hatte eine zeitliche Bedeutung, weswegen es nicht von der Kirche bewahrt wurde: z.B.die Zahl der Diakone (Apg. 6, 3), die Liste der Witwen (1 Tim. 5,9.), Die Kopfbedeckung der Frauen (1 Kor. 20,5), die Fußwaschung (Joh 13,14).

Im Zentrum der Heiligen Schrift ist die Person Christi (Joh 5, 38-39; Gal. 3, 24), ohne Christus können wir die Heilige Schrift nicht verstehen (2 Kor 3,14). Deshalb gewährleistet die Einheit im Leib Christi, d.h. in der Kirche, die Reinheit der Wahrheit des Evangeliums (1 Tim. 3,15).

Die Heilige Schrift ist nicht an verstreute Menschen gerichtet, sondern an Gläubige, die in einem Leib verbunden sind. Die heilige Tradition ist die Atmosphäre, in der der Leib lebt und die Wahrheit richtig versteht; sie ist die anhaltende Erfahrung der Kirche, ihr Gewissen - nicht persönliche Meinungen, Lehren und Anweisungen von Menschen (vgl. Jes. 29, 13; Mt. 15, 3.4.9; Mk 7, 8; Kol 2, 8).

Basierend auf dem Schatz der heiligen Erinnerung der Kirche, führt das Studium der Heiligen Schrift zur Einheit, nicht zur Spaltung der Kirche. Auf diese Weise wird der Wunsch Christi nach der Einheit der Gläubigen erfüllt (Joh. 17, 20-21). Deshalb weisen die Apostel die Christen an, die Traditionen zu halten, d.h. den Schatz, der ihnen "entweder durch Worte oder durch Schreiben" (2 Thess. 2,15; vgl. 2 Tim. 1,13) anvertraut wurde (1 Kor 11, 2; Phil. 4,9).

Die Hirten der Kirche wurden auf diesen Platz gestellt um zu wachen, das heißt um Wächter (= Bischöfe) über die Reinheit des Lebens und der Lehre der Kirche (Apg 20, 28-31) zu sein: "entfache die Gnade Gottes, die dir durch die Auflegung meiner Hände zuteil geworden ist.  ... Halte dich an die gesunde Lehre, die du von mir gehört hast ... Bewahre das dir anvertraute, kostbare Gut, durch die Kraft des Heiligen Geistes, der in uns wohnt.  (2 Tim. 1, 6.13.14), "und was du vor vielen Zeugen von mir gehört hast, das vertrau zuverlässigen Menschen an, die fähig sind, auch andere zu lehren."(2 Tim. 2, 2).

Mit anderen Worten ist die apostolische Sukzession im Einklang mit der apostolischen Lehre. In diesem Sinne verstehen wir die Worte des heiligen Ignatius (110): "Weil Jesus Christus, unser wahres Leben, der Sinn des Vaters ist, ebenso wie die Bischöfe, die bis an die Enden der Erde eingesetzt wurden, in Übereinstimmung mit dem Sinn Jesu Christi sind („im Sinne Jesu Christi“). So folgt auch ihr dem Sinn des Bischofs, etwas, das ihr ja schon tut, wegen der der Würde des Namens eures Presbyteriums, und seid im Einklang mit dem Bishop, wie die Saiten der Gitarre.“ (IGN .Eph. 3, 2-4,1).

Diese Lehre ist nicht von heute – es ist eine frühchristliche Überzeugung:
"Von den Dogmen und den Wahrheiten, die die Kirche bewahrt, haben wir manche von der schriftlichen Lehre erhalten, während wir andere, die uns heimlich erreichten, durch die Überlieferung der Apostel erhielten. Beide Elemente, sowohl die schriftliche als auch die  mündliche Überlieferung, haben dieselbe Bedeutung für den Glauben. Und keiner von denen, die auch nur ein wenig Wissen über die kirchlichen Institutionen haben, wird Einwände dagegen erheben. Denn wenn wir versucht wären, die ungeschriebenen Bräuche aufzugeben, die angeblich keine große Bedeutung haben, dann würden wie, ohne es zu merken, der Essenz des Evangeliums schaden, oder besser gesagt, wir würden die Botschaft in einen bedeutungslosen Namen verwandeln." (Basilios der Große, Über den Heiligen Geist, 27,66).

Zur Zeit des Heiligen Basilios des Großen räumte also jeder, der auch nur "ein wenig Wissen über die kirchlichen Institutionen hatte“, ein, daß die göttliche Offenbarung auf mystische Weise in ihrer ganzen Fülle in der Kirche bewahrt wurde. Zum Beispiel erwähnt der Heilige Basilios den Brauch derer "die ihre Hoffnung in den Namen unseres Herrn Jesus Christus setzen“, und die ihren Glauben zeigen "indem sie das Zeichen des Kreuzes machen."

Hier besteht also ein grundlegender Unterschied zur protestantischen Welt. Das Axiom „sola scriptura" (nur die Bibel), läßt eben diese Schrift selbst nackt, der "interpretativen Autorität" und "Unfehlbarkeit" der einzelnen Pfarrer ausgesetzt.

Die Heilige Schrift kann nicht absolut gesetzt werden, weil das den lebendigen Christus durch den Buchstaben der Bibel ersetzen würde, die, getrennt vom Leben des Leibes Christi, dem Leben der Heiligen (Judas 3), vergöttert würde. Die Heilige Schrift ist "das Wort über Gott, das durch die Herzen der Heiligen ging, es ist das Wort Gottes über Gott" (G. Metallinos), die Wahrheit, die den Heiligen „ein für alle Mal“ überliefert wurde (Judas 3), und nicht die ganze Wahrheit, sondern ein Teil davon. Sie kann nicht losgelöst von der Kirche verstanden werden. (1 Tim 3,15).

Handbuch der Häresien und Para-christlichen Sekten
Von P. Antonios Alevizopoulos
Dr. der Theologie und Philosophie

Übersetzung: Sr. Matthaia ©Heiliges Kloster Pantokratoros

 


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